Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0079 - Der Tyrann von Venedig

0079 - Der Tyrann von Venedig

Titel: 0079 - Der Tyrann von Venedig
Autoren: Richard Wunderer
Vom Netzwerk:
arbeite ich für Scotland Yard. Ich wußte, wie man es anstellte, auch einem mißtrauischen Verdächtigen auf den Fersen zu bleiben. Dutzende Male drückte ich mich in einen Hauseingang oder verschwand in einem Laden, tat so, als würde ich mich brennend für ein Schaufenster interessieren oder jemanden auf der Straße etwas fragen.
    Ich hatte den Stadtplan von Venedig nicht im Kopf, aber so weit ich es beurteilen konnte, lief Tarrant kreuz und quer durch die Gegend um die Rialtobrücke. Wahrscheinlich wollte er sich nur davon überzeugen, daß er unbeobachtet war.
    Nach einer halben Stunde endlich schlug er eine ganz bestimmte Richtung ein. An der Rialtobrücke hielt er sich in nördlicher Richtung, verließ den Hauptweg zum Bahnhof und gelangte in von Touristen weitgehend gemiedene Gebiete. Hier standen nur alte Wohnhäuser und keine Paläste. Die Restaurants verzichteten auf den bunten Firlefanz, der Gäste anlocken sollte, und gaben sich betont schlicht. Hier aßen nur Einheimische.
    Tarrants Mißtrauen war noch immer nicht beseitigt, so daß ich mich mehrmals mit halsbrecherischen Sprüngen in Deckung retten mußte. Endlich erreichten wir die Fondamente Nuove, den nördlichen Stadtrand, der wie überall von Wasser umspült wurde. Direkt an der Einmündung des schmalen Weges auf die breite Mole schaukelte eine auf Pontons schwimmende Station der Linienschiffe. Tarrant löste eine Karte und verschwand im Warteraum.
    Da dieser rundum Fenster besaß, mußte ich in Deckung bleiben. Mein Blick glitt an der Station vorbei über die Lagune. Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz! Daß ich nicht gleich daran gedacht hatte!
    Knapp eine halbe Meile vor den Fondamente Nuove ragte die Insel von San Michele aus dem Wasser die Friedhofsinsel! Was lag näher, als den Schwarzen Dogen dort zu suchen? Es war der einzige Friedhof in Venedig. Ich wußte zwar, daß ich direkt in der Stadt gegen den Dämon gekämpft hatte und nicht auf einer Insel, aber vielleicht hatte er sich aus Venedig zurückgezogen, weil ihm das Pflaster zu heiß geworden war. Ungeheure Erregung packte mich. Hier hatte ich eine Chance, dem Schwarzen Dogen zu Leibe zu rücken.
    Doch darin erkannte ich die Schwierigkeit, Tarrant weiter zu beschatten. Eines der schweren Linienboote legte an der Station an. Das Boot war nicht so groß, daß ich unbemerkt an Bord gehen konnte. Bis das nächste Schiff anlegte, war Tarrant schon längst auf der Insel.
    Zähneknirschend sah ich zu, wie Tarrant sich an den Bug stellte. Die Taue lösten sich. Das Boot drehte ab. Er hatte die ganze Zeit das Ufer im Auge behalten. Ich war ausgeschaltet. Ein Taxiboot! Ich brauchte sofort ein Taxiboot, aber das war in Venedig nicht anders als in allen übrigen Städten der Welt. Wenn man kein Taxi brauchte, fuhren sie kolonnenweise vorbei. Suchte man eines, gab es weit und breit keines.
    Kein Taxi, kein Lastkahn, kein privates Boot, von dem ich mich übersetzen lassen konnte! Schwimmen schied aus. Nicht daß es mir zu weit gewesen wäre oder daß ich wasserscheu war. In Venedig hatte ich schon ziemlich oft Bekanntschaft mit dem Wasser gemacht. Aber erstens wäre das Boot schneller gewesen, und zweitens konnte ich nicht am hellen Nachmittag Joe Tarrant in triefnassen Kleidern verfolgen. Es hätte einen Menschenauflauf gegeben.
    »Signor Sinclair, darf ich Sie mitnehmen?« fragte plötzlich eine Stimme in meiner Nähe.
    Ich sah mich verwirrt um, entdeckte niemanden und hörte ein leises Lachen. Erst jetzt blickte ich zu Boden.
    Dicht neben meinem Versteck lief einer der zahlreichen Kanäle vorbei, schmal wie eine Dachrinne aber breit genug, daß das Polizeiboot mit Commissario Bennato darin Platz fand. Der Commissario streckte mir die Hand entgegen. Ich verzichtete auf Hilfe und sprang aus dem Stand in den Außenborder, der sofort Fahrt aufnahm. Ich warf dem jungen Polizisten am Steuer einen Blick zu.
    »Sie können vor ihm frei sprechen«, erklärte Bennato. »Vertrauenswürdig!«
    »Ich verfolge unseren Reiseleiter«, sagte ich hastig. »Er steht mit dem Verschwinden von Miß Collins in Zusammenhang.«
    »Ich weiß!« Bennato verzog seine schmalen Lippen zu einem knappen Lächeln und strich sich über seine silbergrauen Haare, als wäre er mit sich und der Welt sehr zufrieden.
    »Sie haben mich beschattet?« fragte ich irritiert.
    »Nicht beschattet, lieber Kollege aus London.« Sein Lächeln wurde maliziös. »Sie hatten so auffallend wenig Vertrauen zu meiner Truppe, daß ich mich um Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher