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0072 - Ich war kein Fraß für Tiger

0072 - Ich war kein Fraß für Tiger

Titel: 0072 - Ich war kein Fraß für Tiger
Autoren: Ich war kein Fraß für Tiger
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aus den Augenwinkeln sah ich einen großen Brocken blutigen, rohen Fleisches von der Brüstung herabfliegen.
    Es klatschte neben mir auf den Boden, vielleicht acht oder neun Schritte entfernt.
    Einen Augenblick zögerte der Tiger. Dann stieß er ein tiefes Grollen aus. Sein heißer Atem streifte dabei mein Gesicht. Mein Magen drehte sich um, als Assahn schon mit seinem Fleisch beschäftigt war, das er gierig und genusssüchtig zerriss.
    ***
    Sie mussten mich hinaufziehen im Schutz eines gebogenen Gitters, das man um mich herum aufgebaut hatte. Unterdessen wurde Assahn mit immer neuen Fleischbrocken abgelenkt. Man hielt sie ihm an langen Stangen hin und zog sie manchmal wieder zurück, damit er völlig beschäftigt war.
    Als ich endlich oben stand, knickten mir die Knie ein.
    Mit einem Krankenwagen fuhren sie mich in das Hospital, aus dem Phil gerade kam. Aber mit uns fuhr Rack Johnson. Der Tierwärter, den ich schon bei meinem ersten Besuch im Zoo gesehen hatte. Unter seinem schlohweißen Haar hatte niemand einen Vierzigjährigen vermuten können. Er schien siebzig zu sein.
    Er hatte den Mordanschlag damals auf dem Grund des Meeres überstanden. Später erzählte er uns seine Geschichte. Geistesgegenwärtig hatte er selbst seinen abgeschnittenen Luftschlauch zusammengepresst, damit die Luft aus seinem Helm nicht entweichen und das Wasser nicht hereinkommen konnte. Mit versagenden Lungen war er durch ein Leck in der Kajüte gekrochen und hatte sich emportreiben lassen. Bevor er bewusstlos wurde, drehte er noch das Ventil der Sauerstoffflasche auf, die seine Schwimmweste füllte und ihn an der Oberfläche hielt. Ein Frachtschiff hatte ihn aufgefischt. In seinen Armen hatte er die Figur des Rachegottes.
    Zwei Jahre verbrachte er in einem Hospital in Mexiko, wohin ihn der Frachter mitgenommen hatte. Er war ein alter Mann, als er wieder herauskam. Jahrelang hatte er verbittert nach seinen Mördern gesucht. Schließlich gab er es auf und nahm eine Stellung als Tierwärter an.
    Und dann sah er eines Tages Bill Hail. Drei Jahre, bevor er seinen Plan anfing zu verwirklichen. Er ließ durch Privatdetektive die anderen ausfindig machen und beobachten. Sein ganzes Gehalt ging dabei drauf. Aber er hatte Zeit und den unlöschbaren Durst auf Rache.
    Mit der Statue des Rachegottes hatte er den beiden Hails den Schädel eingeschlagen. Die Statue des Rachegottes war alles, was vom Schatz der Santa Monica übrig geblieben war. Alles andere hatten die fünf anderen durch unkontrollierbare Kanäle verkauft, umschmelzen lassen und zu Dollarscheinen gemacht.
    Ohne zu zittern, bestieg Johnson den elektrischen Stuhl.
    »Sie haben mein Leben vernichtet«, sagte er. »Denn als ich aus der Tiefe wieder ans Licht kam, war mein Lebensnerv ein für alle Mal gebrochen. Nur noch die Rache hielt mich am Leben. Jetzt habe ich sie gehabt.«
    Im Museum für Völkerkunde in New York steht seitdem eine Statue aus blankem Gold. Der bizarr geformte Körper scheint einen unbändigen Triumph auszudrücken. Aber der Besucher weiß zum Glück nichts von dem Blut, das an dieser Statue unsichtbar klebt.
    ENDE
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