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0071 - Knochensaat

0071 - Knochensaat

Titel: 0071 - Knochensaat
Autoren: Jason Dark
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einen Schauer über den Rücken.
    Er war größer als ich. Seine Schultern wirkten eckig. Es sah so aus, als hätte er einen Kleiderbügel unter seinen schwarzen Mantel gesteckt. Das Gesicht wirkte wie eine geschminkte Maske. Unbeweglich zum einen, und dann strahlte es ein grünlich fahles Leuchten aus, das mich an die Farbe von Wasserleichen erinnerte.
    Sein Gesicht war vollständig erhalten. Keine Skelettfratze, keine Hautfetzen auf blanken Knochen. Ich sah auch den Knebelbart an dem vorspringenden Kinn ebenso wie die fleischige Nase. Nur die Farbe der Augen konnte man nicht erkennen.
    Er trug unter dem offenen Mantel einen Wams. Seine Füße und die Waden steckten in Schaftstiefeln aus weichem Leder.
    Ein breiter Gürtel teilte das Wams in der Körpermitte. In der Scheide an seiner linken Hüfte steckte ein langes Schwert, und vor seiner Brust hing – ich glaubte meinen Augen kaum trauen zu dürfen – ein Kreuz.
    Aber ein entweihtes.
    Es war auf den Kopf gestellt worden, hing verkehrt herum, wie auch bei den Schwarzen Messen.
    Jetzt wußte ich, daß Albertus Krogmann ein Diener des Teufels war.
    Wir fixierten uns. Keiner senkte den Blick. Der Geist Krogmanns hatte eine dämonische Ausstrahlungskraft, die ich daran spürte, daß sich mein Kreuz erwärmte.
    Ja, vor mir stand ein Dämon.
    Aber wie mächtig war er?
    Bestimmt nicht so mächtig wie der Schwarze Tod, obwohl er sich für sehr stark hielt, das entnahm ich seinen nächsten Worten, als er mich fragte: »Wer bist du eigentlich, Mensch, daß du es wagst, meine Kreise zu stören? Sag mir deinen Namen!«
    »John Sinclair«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    Albertus Krogmann stutzte. Er schien den Namen bereits gehört zu haben, konnte aber wohl im Augenblick nichts damit anfangen.
    Deshalb half ich ihm auf die Sprünge.
    »Man nennt mich auch den Geisterjäger!«
    Er überlegte. »Feinde«, sagte er, »Feinde gibt es genug. Mein Geist hat die Dimensionen durchwandert. Er hat viel gehört in der Zeit. Die Jahrhunderte sind vergangen, der Tod hat seine Schrecken für mich verloren, aber mein Reich, das ich mir hier aufgebaut habe, existiert noch immer. Du wirst es erleben!«
    »Was hast du vor, Albertus Krogmann?« fragte ich. »Was willst du mit den Menschen machen?«
    »Ich brauche sie.«
    »Wofür?«
    »Sie werden ein Opfer.«
    Damit konnte ich nicht viel anfangen. »Für wen werden sie ein Opfer?«
    »Das wirst du noch sehen, John Sinclair, denn du sollst als einer der ersten dabeisein.«
    Ich wunderte mich, daß er ein so gutes Deutsch sprach. Aber wahrscheinlich hatte sein Geist in den Jahrhunderten, als er die Dimensionen durchwanderte, alles erlebt, gesehen und gespeichert. Er hatte mitgelernt – nur wofür? »Welche Rolle spielt der Stein?« wollte ich wissen.
    »Eine große«, erwiderte er.
    Mehr nicht. Und das mußte mir als Antwort reichen. Mein Blick traf Kommissar Mallmann und Karin Becker. Die beiden hingen noch immer im Griff der Skelette. Sie regten sich nicht, zuckten nicht einmal mit einem Augenlid. War es Zufall, daß Albertus Krogmann gerade diese beiden auserwählt hatte, oder war es Absicht? Ich ließ meine Blicke durch den Garten schweifen und suchte nach anderen Opfern, doch Mallmann und Karin Becker waren die einzigen, die von den Gerippen festgehalten wurden.
    Ich hatte meine Waffe wegwerfen müssen, aber so wehrlos fühlte ich mich nicht. Ich besaß noch mein Kreuz und auch noch den Silberdolch, der ebenfalls sehr wirkungsvoll war. »Wohin?« fragte ich den Dämon.
    Er machte eine weitausholende Armbewegung, und sein Mantel blähte sich wie ein Segel auf. »Du wirst mitgehen und den Ort kennenlernen, der dein Schicksal werden soll.«
    »Meinst du den Felsen?«
    »Ja. Dort kommt es zur Entscheidung. Kommst du freiwillig mit, oder muß ich dich erst dazu zwingen?«
    »Nein, nein, ich gehe freiwillig.«
    »Dann los!«
    Dieser Befehl galt nicht nur mir, sondern auch den Skeletten.
    Und sie wußten, was sie zu tun hatten.
    Blitzschnell waren sie bei mir, und ich spürte ihre harten Finger, die sich um meine Oberarme preßten.
    Das gefiel mir gar nicht.
    »Sie sollen mich loslassen!« sagte ich.
    Albertus Krogmann dachte nach. Dann nickte er. »Gut, John Sinclair, ich vertraue dir!« Er lachte spöttisch. »Laßt ihn los!«
    Der Druck verschwand.
    Zwei Atemzüge später machten wir uns auf den Weg.
    ***
    Das kleine blonde Mädchen rannte auf Pfarrer Kroger zu, und der Geistliche schloß es in seine Arme. Das Kind barg den Kopf an der
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