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0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht
Autoren: Hans Wolf Sommer
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einlud.
    Zamorra war es selbst, der das Theater beendete. Er beugte sich zu dem Mann hinunter, packte ihn bei den Schultern und zog ihn hoch.
    »Lassen Sie den Quatsch, Mann«, sagte er in bestimmtem Ton.
    »Was glauben Sie eigentlich, wer ich bin? Der König von Mexiko vielleicht?«
    Mit weit aufgerissenen Augen, in denen das Unverständnis wohnte, blickte ihn der Indianer an. Sein Mund bewegte sich, aber er brachte keinen Ton über die Lippen.
    »Ist dies das Haus Pepe Chilapas?«, fragte der Professor, um sich zu vergewissern, ob sie wirklich an der richtigen Adresse waren.
    Der Mann nickte stumm.
    »Dürfen wir eintreten? Wir hätten gerne einmal mit Ihnen gesprochen.«
    Der Mann machte Anstalten, sich abermals auf den Boden zu werfen, wurde aber von Zamorra daran gehindert, der mit harter Hand seiner grotesken Fallübung zuvorkam.
    »Also?«
    Ehrfürchtig gab der Indio den Weg ins Innere des Hauses frei. Unter ständigen Bücklingen führte er sie in einen großen, aber recht einfach ausgestatteten Raum. Ein massiver Holztisch, dazu einige Stühle und Bänke und ein mit allerlei Krimskrams vollgestelltes Wandregal verkörperten das gesamte Mobiliar. Dennoch hatte das Zimmer eine durchaus wohnliche Note. Offenbar in Handarbeit gewirkte Wandteppiche, verziert mit abstrakten Mustern und stilisierten Figuren, vermittelten den Eindruck von Wärme und Behaglichkeit.
    Das Zimmer war nicht leer. Auf einer Holzbank saß eine junge, bildhübsche Frau mit langen schwarzen Zöpfen. Sie hatte ein Kleinkind auf dem Schoß und wiegte es hin und her.
    Beim Anblick des Professors und seiner Begleiter stand sie hastig auf und huschte durch eine Hintertür aus dem Zimmer.
    Mit zitternden Händen bot der alte Indio Stühle an. Dabei bat er tausendmal um Vergebung, dass er keine würdigeren Sitzgelegenheiten offerieren konnte. Er selbst wollte sich in einer Art Schneidersitz auf den Boden hocken und musste von Zamorra energisch aufgefordert werden, sich ebenfalls an den Tisch zu setzen. Zögernd, beinahe ängstlich, kam er der Aufforderung nach.
    Der Professor kam schnell zur Sache.
    »Was wird hier eigentlich gespielt?«, fragte er. »Warum tun hier alle Leute so, als sei ich der Heilige Geist oder der Teufel höchstpersönlich?«
    Der Indianer stammelte: »Hoher Herr! Ihr beliebt zu scherzen…«
    »Hoher Herr, hoher Herr! Was soll dieses Gerede überhaupt? Ich bin kein hoher Herr, verdammt noch mal!«
    »Xamotecuhtli, bitte… Treibt nicht Euren Spaß mit mir.«
    Geduldig faltete der Professor die Hände. »Jetzt hören Sie mir doch mal gut zu, Señor Chilapa. Sie sind doch Señor Chilapa, oder?«
    Schwaches Kopfnicken.
    »Gut!«, stellte Zamorra fest. »Also… Mein Name lautet nicht Xamotecuhtli. Ich heiße Zamorra und kein bisschen anders. Hier …« Er griff in seine Jackettasche, holte die Brieftasche heraus und entnahm ihr seinen Personalausweis. Dann schlug er das Passbild auf und schob den Ausweis dem alten Mann über den Tisch. »Sehen Sie, da steht es schwarz auf weiß. Zamorra, nicht Xamotecuhtli! Ich wohne in Frankreich, in Europa. Sie wissen, wo Frankreich liegt?«
    Wieder nickte der Indio. Es kostete ihn offenbar einige Überwindung, den Ausweis zu betrachten. Aber er tat es dann schließlich doch, fand sogar den Mut, darin zu blättern. Scheu verglich er das Foto mit dem tatsächlichen Konterfei des Professors. Ungläubigkeit malte sich in seinen Gesichtszügen ab.
    »Aber…«, stammelte er. »Das ist doch … Ich verstehe nicht …«
    »Was verstehen Sie nicht? Dass ich das bin? Warten Sie!« Er wandte sich an Nicole und Bill. »Zeigt ihm ebenfalls eure Ausweise. Vielleicht glaubt er dann, dass er es hier mit ganz normalen Menschen zu tun hat.«
    Die beiden taten, was er sagte. Der alte Mann unterzog auch ihre Ausweise einer Prüfung.
    »Tatsächlich«, murmelte er anschließend. »Aus Frankreich und aus den Staaten. Aber wie ist es möglich?«
    »Ist was möglich?«, schaltete sich Bill jetzt fragend in das Gespräch ein.
    Der alte Mann antwortete nicht direkt.
    »Dolores!«, rief er laut.
    Sekunden später betrat die junge Frau von vorhin das Zimmer.
    Chilapa redete wortgewaltig auf sie ein. Zamorra verstand nicht viel von dem, was er sagte. Er sprach nicht Spanisch, sondern gebrauchte einen indianischen Dialekt. Der Professor bekam lediglich mit, dass die bezopfte Señorita – oder Señora – jemanden holen sollte. Einen Padre irgendwas, wenn er richtig gehört hatte. Die Schöne verschwand.
    Der alte Mann
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