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0060 - Der Geisterfahrer

0060 - Der Geisterfahrer

Titel: 0060 - Der Geisterfahrer
Autoren: Walter Appel
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Felseneck-Jugendherberge des Landes Hessen. 1,5 km.«
    Im Taunus gab es etliche Burgen und Burgruinen. Die Burgruine Falkenstein zum Beispiel lag Burg Felseneck gegenüber auf dem Altkönig, gut fünf Kilometer Luftlinie entfernt. Mit den Alpen allerdings konnte man den Großen und den Kleinen Feldberg sowie den Altkönig keineswegs vergleichen.
    Diese drei Taunusberge hatten eine Höhe von 878, 825 respektive 798 Meter über Meereshöhe.
    Der schmale, asphaltierte Weg stieg an, und Will Mallmann schaltete in den zweiten Gang zurück. Die Lichtbahnen der Scheinwerfer drangen in die Dunkelheit. Als wir den Wald verließen, sahen wir die Burg vor uns, eine wuchtige schwarze Silhouette.
    Finster und bedrohlich wirkte sie. Vom ersten Augenblick an beschlich mich ein Gefühl des Unbehagens. Ich spürte etwas, mein Instinkt meldete sich. Mittlerweile war es fünf Minuten nach Mitternacht geworden.
    Ein eigenartiger, düsterer Schein schien die Burg zu umlohen. Man ahnte ihn mehr, als daß man ihn sah. Die Burg lag auf einem Hangplateau. Der Graben umgab sie nicht mehr völlig, eine breite Zufahrt führte zum Haupttor, wo ein Licht brannte.
    Wir sahen zwei Gestalten vor dem Tor stehen. Während wir näherfuhren, erschien plötzlich das Leuchtzeichen über der Burg.
    »Stop, Will!« rief ich und deutete. »Sieh dort.«
    Will Mallmann bremste und hielt. Wir verrenkten uns die Hälse, um durch die Windschutzscheibe alles sehen zu können. Vielleicht zwanzig Meter über der Spitze des Hauptturms der Burg stand eine grünliche, lohende Scheibe.
    Sie strahlte einen giftigen Glanz aus. Seltsame Symbole waren darin zu erkennen, Zeichen, die mir einen Schauer über den Rücken jagten. Sie gehörten in den Bereich der Schwarzen Magie.
    Ich konnte die Zeichen der Hölle nicht entziffern, aber daß sie nichts Gutes zu bedeuten hatten, das war gewiß. Die magischen Symbole strahlten einmal stärker, dann wieder schwächer.
    »Hier ist etwas im Gange«, sagte Suko, der durchs Seitenfenster spähte. »Gewiß steht der Spuk von Burg Felseneck mit den Geisterfahrer-Erscheinungen in Verbindung.«
    Da war ich sicher. In einem so begrenzten Bereich würden nicht zwei Spukerscheinungen unabhängig voneinander auftreten.
    »Fahr weiter zum Tor, Will«, forderte ich Mallmann auf.
    Er gab Gas, zwanzig Sekunden später stoppten wir beim Burgtor und stiegen aus. Will Mallmann hatte Scheinwerfer und Motor abgeschaltet. Die beiden Gestalten vor dem Burgtor entpuppten sich als zwei junge Männer in Wanderkluft mit modernen Rucksäcken. Der Größere hatte eine Gitarre am Leichtmetallrahmen seines Wanderrucksacks befestigt.
    Mit ihren Wollmützen und Gamaschenhosen sahen die zwei Wandervögel zünftig aus. Beide hatten Bärte, der Kleinere trug eine Nickelbrille. Ich schätzte die beiden auf etwa zwanzig Jahre.
    Ihnen gegenüber, in der schmalen Tür im wuchtigen Holztor, stand ein unwahrscheinlich fetter Mann mit stechenden Knopfaugen. Sein Gesicht war so rund wie der Vollmond, aber keineswegs so freundlich. Er sprach mit einer heiseren Fistelstimme.
    »Da sind ja noch drei späte Herumtreiber. Die Jugendherberge ist wegen Restaurierung geschlossen, das sage ich auch Ihnen. Außerdem kämen Sie um diese Zeit nicht mehr herein. Ab 22 Uhr ist bei uns der Laden dicht.«
    Ich spürte die Antipathie gegen ihn körperlich. Etwas Böses und Dämonisches strahlte von ihm aus.
    »Herr Künzler?« fragte ich. Als der Dicke nickte, zeigte ihm Kommissar Mallmann den Kripoausweis. »Kriminalpolizei«, sagte ich. »Wir haben ein paar Fragen an Sie.«
    »Fragen Sie morgen«, erwiderte er. »Es sei denn, Sie haben einen Hausdurchsuchungs- oder Haftbefehl.«
    Damit knallte er uns die Tür vor der Nase zu. Der Schlüssel wurde zweimal im Schloß umgedreht, und die Lampe über dem Eingang erlosch. Der fette Burgverwalter und Herbergsleiter kicherte hinter dem Tor hämisch.
    Seine schlurfenden Schritte entfernten sich.
    »Das ist doch die Höhe!« protestierte der Größere der beiden Wandervögel mit starkem französischem Akzent. »Wenn das die deutsche Gastfreundschaft ist, dann danke ich. Wo sollen wir jetzt denn übernachten? Burg Felseneck steht im Herbergsführer. Wir sind extra den ganzen Weg von Falkenstein aus hergelaufen.«
    »Furnier!« schnaufte der Kleine. »Aus diesem fetten Cochon sollte man eine Bouillon kochen.«
    Der fahle Schein, den man zuvor nur geahnt hatte, wurde stärker. Wie aus dem Innern der Erde erklangen Bruchstücke eines dumpfen Gesangs.
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