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006 - Die Schuld des Anderen

006 - Die Schuld des Anderen

Titel: 006 - Die Schuld des Anderen
Autoren: Edgar Wallace
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sich dicht neben den Sterbenden.
    »Wo kommen Sie her?« fragte Maple mit schwacher Stimme.
    »Ich - ich bin soeben aus dem Gefängnis entlassen worden.«
    »Gefängnis?« wiederholte Maple.
    Bell nickte. Eine Weile herrschte absolutes Schweigen in dem Raum. Gold stand wie gebannt, er fühlte, daß dies ein wichtiger Augenblick im Leben Comstock Bells war.
    »Ja, ich komme aus dem Gefängnis«, begann Bell mit ernster Stimme. »Was gibt es dazu viel zu sagen? Die Vorgeschichte ist bekannt - vor Jahren wurde in Paris eine Banknotenfälschung verübt. Der Verdacht fiel auf zwei Studenten, die sich durch ihre Abreise dem Untersuchungsverfahren entzogen. Schuldig gemacht hatten sich beide. Eigentlich hätte es nur ein Scherz sein sollen. Der eine der beiden war auf den Gedanken verfallen, zum Spaß eine Banknote zu fälschen. Als aber sein Freund, ein geschickter Graphiker und Graveur, ernst machte, hatte er nicht mehr den Mut, dazu zu stehen. Beide verschwanden also aus Frankreich, dem einen gelang es, unterzutauchen, dem anderen war keine Schuld nachzuweisen«
    Tom Maple starrte zur Decke und bewegte die Lippen, als ob er sprechen wollte.
    »Vor einiger Zeit«, sprach Bell weiter, »habe ich mich der Polizei gestellt, weil ich wußte, daß Willetts wieder gesucht wurde. Warum ich es getan habe? Willetts hatte die Fälschung ausgeführt, er wurde gesucht, sicher, aber wenn ich ehrlich sein wollte, mußte ich mir eingestehen, daß mich selbst genausoviel Schuld traf. Kurz und gut, ich hatte schon seit einiger Zeit ein Doppelleben geführt, um Willetts zu decken. Nun hielt ich den Augenblick für gekommen, ihn - also mich selbst - anzuzeigen und damit diese Sache ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Als Willetts wurde ich verurteilt und kam ins Gefängnis. Ein Teil der Strafe wurde mir erlassen - und jetzt bin ich wieder frei.«
    »Und dabei ist es gar nicht sicher, ob Willetts noch lebt!« rief Gold. »Warum haben Sie das nur getan?«
    »Willetts lebt- «, sagte Comstock Bell.
    Maple lächelte schwach.
    »Ja«, murmelte er, »er lebt - ich bin Willetts!« Er legte seine Hand auf Bells Arm und sah ihn lange an. »Ich danke dir«, sagte er kaum hörbar. »Willetts - ja, ich bin Tom Willetts. Ich hätte nicht gedacht, diesen Namen noch einmal zu hören.«
    Er schwieg lange. Die andern glaubten, er sei eingeschlafen. Schließlich beugte sich der Arzt über ihn und berührte sein Gesicht.
    »Er ist tot.«
    Eine Stunde später befanden sich Comstock Bell und Gold auf dem Weg nach London. Sie hatten sich viel zu erzählen.
    »Heute morgen verließ ich Chelmsford«, berichtete Bell. »Meine Strafe wurde aufgehoben, weil sich die französische Kriminalpolizei für mich eingesetzt hatte -Lecomte selbst hat sich eingeschaltet. Vom Gefängnis aus fuhr ich sofort nach Southend, wo sich meine Frau aufhielt.«
    Gold zeigte offen seine Verwunderung, und Bell erklärte ihm kurz die Zusammenhänge.
    »Als ich mich entschlossen hatte, unser gemeinsames Delikt zu sühnen, mußte ich vor allem jemand finden, auf den ich mich unbedingt verlassen konnte. Keinesfalls durfte meine Mutter oder sonst jemand davon erfahren, wenn ich im Gefängnis saß. Also brauchte ich einen Menschen, der während meiner Abwesenheit an meine Stelle trat. Glücklicherweise lernte ich Verity kennen. Ich erklärte ihr alles, und sie war bereit, mich zu heiraten. Meinen Plan hatte ich bis ins kleinste ausgearbeitet. Ich kaufte einen Schleppdampfer, damit meine Stellvertreterin unbeobachtet London verlassen oder besuchen konnte, denn das war aus vielen Gründen notwendig. Als wir damals abreisten, um die Flitterwochen im Ausland zu verbringen, fuhren wir nicht weiter als bis Boulogne. Mein Schiff brachte uns wieder zu einem kleinen englischen Hafen, und von dort reisten wir nach London zurück. Am Abend stellte ich mich der Polizei. Durch einen unglücklichen Zufall wurde Verity aber in meinem Haus gesehen - ich hatte sie dorthin geschickt, um einen Gummistempel mit meiner Unterschrift zu holen, den ich dummerweise vergessen hatte. Natürlich war meine Handverletzung nur vorgetäuscht. Ich mußte ja dafür sorgen, daß sich niemand darüber wunderte, wenn alle meine Briefe nur noch mit der Maschine geschrieben wurden.«
    »Jetzt verstehe ich«, sagte Gold.
    Endlich fügten sich die vielen unerklärlichen Einzelheiten zu einem verständlichen Ganzen zusammen.
    »Der Zeitpunkt meiner Entlassung aus dem Gefängnis wurde meiner Frau mitgeteilt«, begann Bell wieder,
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