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0054 - Wir und der Hellseher

0054 - Wir und der Hellseher

Titel: 0054 - Wir und der Hellseher
Autoren: Wir und der Hellseher
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Ware verkauften, er war Mitinhaber eines Speiserestaurants, und er hatte ein dickes Aktienpaket von verschiedenen Unternehmungen, besonders von Fabriken, die sich mit der Herstellung von Heilmitteln beschäftigten. In seinem ganzen Bekanntenkreis befand sich kein Mensch, der als Gangster bekannt war, oder der überhaupt nur eine Vorstrafe abgesessen hatte, mit Ausnahme des Portiers seines Speiselokals, der vor vierzehn Jahren wegen einer Fundunterschlagung fünf Monate bekommen hatte.
    Anders lagen die Dinge, als wir begannen, das Motiv der Tat in Cresbyls Privatleben zu suchen. Dort ging es ziemlich hoch her. Seine Schwäche für gut aussehende Frauen war bekannt. Es war ihm gleichgültig, woher sie kamen, wenn sich nur Staat mit ihnen machen ließ. Irene Cresbyl hatte er sich vor zehn Jahren aus einem Zirkus geholt, und alle Leute, die ihn kannten, wunderten sich, dass die Ehe überhaupt so lange gehalten hatte, wobei feststand, dass Cresbyls Vorrat an ehelicher Treue nicht für zehn Jahre ausgereicht hatte.
    In den letzten Monaten hatte sich die Krise zugespitzt. Cresbyl wollte seine Frau loswerden. Er hatte ihr eine Abfindung geboten, wenn sie sich scheiden ließe, aber er war in solchen Dingen geizig, und so fiel die Summe schäbig genug aus.
    Der Höhepunkt des Streites war jene Party bei einem Geschäftsfreund, zu der Cresbyl seine neueste Freundin in aller Öffentlichkeit mitbrachte. Der Streit endete mit einer Ohrfeige. Drei Stunden nach dieser Ohrfeige war John Cresbyl tot, und Irene Cresbyls Arme hatten aus der Zeit ihrer Artistentätigkeit Kraft genug, um ihnen den tödlichen Stoß zuzutrauen. Als außerdem die Aussagen des Butlers und der Party-Gäste bewiesen, dass John allein nach Hause gekommen und praktisch keine Möglichkeit bestand, dass er jemanden in der kurzen Spanne zwischen Heimkommen und dem Augenblick seines Todes eingelassen haben konnte, blieb uns gar nichts anderes mehr übrig, als Irene Cresbyl unter Mordverdacht zu verhaften.
    Soweit wäre die Angelegenheit für uns erledigt gewesen, aber Irene Cresbyl gestand nicht, weder bei ihrer Vernehmung durch uns noch, als wir sie dem Untersuchungsrichter gegenüberstellten. Und ich hasse Prozesse, in denen es weder einen glaubwürdigen Zeugen noch ein Geständnis gibt, sondern in denen das Urteil aufgrund von Indizien gesprochen werden muss. Darum hatte ich der heutigen Vernehmung der Verdächtigen durch Richter McRoy beigewohnt, in der Hoffnung, es würde ihm heute vielleicht gelingen, Irene Cresbyl zum Geständnis zu bewegen.
    ***
    In unserem Büro fand ich Phil. Er hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht und versteckte sich hinter den Blättern einer ausgebreiteten Zeitung.
    »Hallo«, grüßte ich.
    »Hallo«, drang es hinter der Zeitung hervor.
    Ich setzte mich an den Schreibtisch und sah die eingegangene Post durch. Es war nichts Besonderes dabei.
    »Irene Cresbyl hat auch heute nicht gestanden«, sagte ich, während ich ein Rundschreiben der Zentrale las, in dem die FBI-Beamten aufgefordert wurden, die Unkosten bei der Benutzung von Taxis stärker herabzudrücken, da der hierfür vorgesehene Betrag fast vollständig erschöpft sei.
    »So«, brummte Phil.
    »Richter McRoy hat keine richtige Lust, die Hauptverhandlung eröffnen zu lassen. Er hat bei der Sache das gleiche ungute Gefühl wie wir.«
    Das Zeitungsblatt rührte sich nicht.
    »Hm«, machte es dahinter.
    Ich wandte mich um. »He!«, rief ich. »Was für interessante Dinge stehen in diesem Blatt, dass du nicht einmal ein Ohr für meine Sorgen hast?«
    Endlich fiel die Zeitung, und Phils Gesicht wurde sichtbar.
    »Nicht mehr und nicht weniger, als wer der richtige Mörder von John Cresbyl ist«, sagte er und grinste mich an.
    »Unsinn!«
    »Lies selbst«, lachte er und warf mir die Zeitung herüber. »Um die Wahrheit zu erfahren, darf man sich freilich nicht an das FBI wenden, sondern muss sich mit Hellsehern in Verbindung setzen.«
    Ich hatte einen Blick auf den Titelkopf der Zeitung geworfen. »Ach, New York Look «, lachte ich.
    »Lies trotzdem«, sagte Phil.
    Ich überflog den Artikel. Es war die schwülstige Geschichte von einem geheimnisvollen Mann, der irgendwo in New York lebte und der über die Fähigkeit verfügte, Dinge zu sehen, die niemand wusste. Er nahm kein Geld, er war unauffällig, und wenn man dem Schreiber glauben sollte, so fürchtete er sich vor seiner eigenen unheimlichen 10 Fähigkeit. Im Fall Cresbyl hatte er, als ihm ein Bild von Irene in die Hände
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