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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen
Autoren: Susanne Wiemer
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leisen, schwebenden Klang, er spürte die Strahlung des Amuletts an seiner Brust, und er glaubte zu wissen, daß er mit seiner Ahnung recht gehabt hatte.
    »Die Seelen der Toten?« fragte er halblaut.
    »Ja«, murmelte Alban.
    »Sie werden heimkehren? Heimkehren nach Avalon?«
    »Sie werden heimkehren, und ihr zieht mit ihnen. Nach Avalon müssen wir, in Merlins Reich, denn von dort kenne ich den Weg, der euch zurückführt. Kommt…«
    Er wandte sich ab.
    Langsam trat er in eine Lücke zwischen den Felsblöcken, ein körperloser Geist, der sich in der Stunde zwischen Nacht und Morgen materialisiert hatte. Zamorra folgte ihm, genau wie Bill und Nicole – und dann standen sie schweigend da und blickten auf das Schlachtfeld, dessen grausame Gegenwart die Stunden des Wartens mit Beklemmung gefüllt hatte.
    Silbriges Mondlicht lag über der Stätte der Verwüstung, schien die Schrecken zu mildern und selbst Blut und Grauen in einen weichen, tröstlichen Schimmer zu hüllen.
    Metall glänzte auf.
    Staubige, blutbefleckte Brünnen und Schilde begannen wie von innen heraus zu leuchten, hie und da blinkten Schwertklingen, hob sich fahl das Weiß der Banner ab – es war, als seien die ewigen, im Verborgenen wirkenden Kräfte von Erneuerung und Wandel plötzlich sichtbar geworden. Trank der Wüstensand das eingetrocknete Blut der Erschlagenen? War es das trügerische Gaukelspiel von Licht und Schatten, das Wunden heilte und Verstümmeltes zusammenfügte? Für einen Moment glich das Schlachtfeld dort unten einem leise wogenden, geheimnisvoll bewegten Wasser – und dann war es das Mondlicht selbst, dessen Schleier zerriß und sich von neuem zu Bildern fügte.
    Gestalten erhoben sich.
    Gestalten in schimmernden Rüstungen, mit Schilden bewehrt und gegürteten Schwertern…
    Ruhig blickten sie sich um. Hie und da neigte sich jemand, hob einen weißen Mantel auf, warf ihn sich über die Schultern. Dunkle Umrisse nur blieben am Boden liegen, tote, entseelte Körper, und lautlos schritten die Geister der Gefallenen dahin, um sich am Rande des Schlachtfelds zu einem schimmernden Zug zu formieren.
    Alban wandte den Kopf.
    »Geht«, sagte er leise. »Zieht mit ihnen! Sie werden euch aufnehmen.«
    »Du kommst nicht mit?«
    »Ich erwarte euch auf Avalon. Mit den Toten kann ich nicht mehr gehen. Ich brach ihre Gesetze…«
    Zamorra runzelte die Stirn.
    Er suchte Albans Blick. Er sah die dunkle Trauer in den Augen des Freundes aus jener anderen Dimension – und plötzlich begriff er.
    »Das Schwert!« stieß er hervor. »Als du mir zum erstenmal das Schwert des Feuers überlassen hast, sagtest du, ich müsse es binnen drei Tagen zurückbringen – damals, als es gegen den Herrn der Wölfe ging. Und jetzt… die Frist ist um! Du hast geschwiegen – und ich habe nicht mehr an diese Frist gedacht!«
    »Sie ist verstrichen«, bestätigte Alban ruhig. »Als der Dämon mich in Leonardos Körper verbannte, um nicht selbst sterben zu müssen, da wußte er, daß das Schwert des Feuers mich aus diesem Bann erlösen konnte. Drei Tage lang! Er hoffte, daß du nicht rechtzeitig kommen würdest. Du kamest rechtzeitig. Aber du brauchtest das Schwert noch, um von der Insel zu entfliehen und an diesen Ort zu gelangen. Denn nirgend sonst hättest du einen Weg gefunden zurück nach Avalon…«
    Zamorra preßte die Lippen zusammen. Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt.
    »Und jetzt?« fragte er gepreßt. »Was wird aus dir, Alban?«
    »Ich weiß es nicht. Die Dämonen, die auf der Adlerburg meine Ruhe bewachten, sind frei geworden und haben sich gegen mich gewandt. Mit dem Schwert des Feuers kann ich sie nicht besiegen. Das Schwert dient mir nicht mehr, wird mir erst wieder dienen, wenn eine stärkere Macht es mir auf der Adlerburg von neuem zu eigen gibt.«
    »Eine stärkere Macht«, wiederholte Zamorra. »Das Amulett…«
    »Merlins Amulett – vielleicht! Aber die Gefahr ist groß. Lange habe ich den Mächten der Finsternis widerstanden, und viel werden sie aufbieten, um mich daran zu hindern, meinen Platz wieder einzunehmen.«
    »Du kannst nicht auf die Adlerburg zurückkehren?«
    »Ich kann es nicht. Erst wenn die Dämonen besiegt sind, die die Herrschaft übernommen haben.«
    »Ich werde sie besiegen! Wenn es mir gelingt, in meine Zeit zurückzukehren, werde ich zur Adlerburg kommen und kämpfen. Nimm das Schwert, Alban! Jetzt brauche ich es nicht mehr.«
    Der Geist neigte den Kopf.
    Ruhig nahm er die schimmernde Waffe aus Zamorras Händen
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