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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen
Autoren: Susanne Wiemer
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…«
    »Und der Lichtgeist besiegte den Bösen?«
    »Nicht er… Alban half einem Menschen, den Unhold zu bezwingen, einem Menschen, den er nun zurückführen will in seine Zeit. Verwaist ist die Adlerburg! – Fort gab er das Schwert des Feuers! Zu lange … zu lange …«
    »Was wird geschehen?« wisperte einer der winzigen Gnomen.
    »Verloren ist er!« zischelte ein zweiter.
    »Die Frist versäumte er«, nahm der dritte das Flüstern auf. »Zu viel Zeit verging! – Der Bann brach! – Seine Herrschaft brach über die Dämonen in der Burg der Adler…«
    Ein scharfer Windstoß fegte durch die Luft und peitschte das Wasser.
    Heulend jagten die Windbräute davon, Gischt überspülte die schimmernden Nixenleiber, wie irrlichternde Schatten huschten die Erdgeister in ihre Winkel. Der Felsen erzitterte. Eine Stimme hob an, dumpf wie der Donner, dröhnte in der Luft, ächzte aus der Tiefe der Erde – und in die jähe Stille, in der die Wesen jenes dunklen Zwischenreichs den Atem anzuhalten schienen, fielen die Worte wie Hammerschläge.
    »Zu lange blieb Alban aus«, hallte es. »Abtrünnig ward er, und die Hölle selbst rief ihre Brut, um die Burg der Adler zu vernichten…«
    ***
    Die Dunkelheit kam schnell und unvermittelt wie immer in der Wüste.
    Keine lange Dämmerung, in der sich die Augen an die Nacht gewöhnen konnten, kein graues Zwielicht – nur ein kurzer Moment, in dem der sinkende Sonnenball die ganze Welt in Brand zu stecken schien, und dann die Finsternis, die wie ein schwarzer Mantel über das Land fiel. Die jähe Kälte ließ das Gestein knistern. Nicole schauerte. Rasch griff sie wieder nach dem weißen Burnus, den sie abgelegt hatte, und lächelte dankbar, als Zamorra ihr half, sich in den wärmenden Stoff zu wickeln.
    »Ob sie uns auf Château Montagne vermissen?« fragte Bill aus seinen Gedanken heraus.
    Zamorra hob die Schultern. Er dachte an den Dämon, den sie vernichtet hatten. Es konnte leicht sein, daß auf Château Montagne inzwischen Dinge geschehen waren, die mehr Aufsehen erregten als das Verschwinden der Schloßbewohner – aber es war sinnlos, jetzt darüber zu grübeln. Der Professor tastete nach dem Amulett. Das Metall strahlte leicht, schien unter der Berührung seiner Haut zu vibrieren. Eine seltsam beruhigende Kraft ging von dem Talisman aus, ein Gefühl von Sicherheit und Schutz – und diese Ruhe verließ Zamorra auch nicht während der folgenden Stunden des Wartens.
    »Zwei Minuten bis Mitternacht«, sagte Bill Fleming schließlich mit rauher Stimme.
    Nicole schüttelte sich leicht.
    »Ich hoffe, daß Alban kommen wird«, murmelte sie. »Er hat uns nicht heute, sondern gestern abend hierherbestellt. Könnte es nicht sein, daß er die letzte Mitternacht gemeint hat?«
    »Er wird kommen. Er weiß, daß wir der Zeit unterliegen und nicht früher hiersein konnten. Ich denke…«
    Zamorra stockte abrupt.
    Ein leiser, singender Ton hing plötzlich in der Luft – fern und unwirklich in der endlosen Weite.
    In den kalten Abglanz des Sternenlichts mischte sich ein schwacher silbriger Schimmer. Spinnwebenfein, fast unsichtbar schwebte ein Gespinst über den Felsen, verwob sich zu einem Schleier, erstrahlte zu einer klaren, durchscheinenden Aura – und aus dem gespenstischen Leuchten traten die Umrisse einer Gestalt hervor, als würden sie von unsichtbaren Händen in die Luft gezeichnet.
    Alban de Bayard…
    Alban im weißen Kreuzfahrermantel, den schmalen Goldreif im dunklen, bis auf die Schultern fallenden Haar.
    Grüßend hob er die Hand, lächelte – und in dem Moment, in dem die Sekundenzeiger der Uhren endgültig auf Mitternacht umsprangen, verdichtete sich seine Gestalt, gewann Plastizität und trat mit lautlosen, schwebenden Schritten näher.
    »Stunde der Geister«, sagte er leise. »Meine Stunde, Freunde! Wenn die Nacht sich wendet, hält die Zeit für eine kurze Weile den Atem an und zwischen dem Tod des alten und der Geburt des neuen Tages scheidet die Ewigkeit das Gestern vom Morgen. Sonnenwende, Nachtwende, Mittagswende – das sind die Augenblicke, wo alles geschehen kann, im Bösen wie im Guten. Der Mittag ist die Stunde des bocksfüßigen Pan, der Nymphen und Najaden, der Trolle und Erdgeister. Und die Mitternacht gehört uns, den Geistern, den Toten…«
    Er verstummte.
    Lauschend neigte er den Kopf, und wieder trug der Wind das unwirkliche Singen herüber. Waren das andere Geister, die erwachten?
    Gefallene Ritter, bereit zu ihrer letzten Fahrt? Zamorra hörte den
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