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004 - Kerry kauft London

004 - Kerry kauft London

Titel: 004 - Kerry kauft London
Autoren: Edgar Wallace
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Hand.
    Ein Bettler näherte sich ihm bei der ›Nadel der Cleopat-ra‹ aber als King Kerry weiterging, ohne ihn zu beachten, fing der Vagabund an, hinter ihm herzufluchen. Plötzlich drehte sich King Kerry um, und der Bettler fuhr an das Geländer zurück, als erwarte er einen Schlag.
    Doch der Spaziergänger war nicht bösartig. Er blieb stehen und sah den Mann an.
    »Was sagten Sie?« fragte er freundlich. »Ich fürchte, ich war vorhin mit meinen Gedanken ganz woanders.«
    »Geben Sie einem armen Mitmenschen einen Nickel für ein Nachtquartier!« wimmerte der Mann. Er war das reinste Lumpenbündel, und sein langes Haar und der struppige Bart wirkten sogar bei dem schwachen Licht der entfernten Lampen abstoßend.
    »Einen Nickel für ein Nachtquartier?« wiederholte der Herr.
    »Und Geld für einen Sehn … eine Tasse Kaffee«, fügte der Bettler gierig hinzu.
    »Warum?«
    Die Frage verblüffte den nächtlichen Herumtreiber, und er war einen Augenblick ruhig.
    »Warum sollte ich Ihnen das Geld für ein Nachtquartier oder überhaupt etwas geben, was Sie nicht verdient haben?«
    Es war nichts Hartes in dem Ton; der Herr sprach sanft und freundlich, und der Mann faßte sich ein Herz.
    »Weil Sie es dazu haben und ich nicht«, brachte er ein für ihn sehr überzeugendes Argument vor.
    Der Herr schüttelte den Kopf.
    »Das ist doch kein Grund. Wie lange ist es her, seit Sie zuletzt gearbeitet haben?«
    Der Mann zögerte. Trotz aller Milde lag etwas Gebieterisches in dem Ton des Fremden. Es könnte ein Spitzel sein - und es würde sich nicht lohnen, einem dieser geschäftigen Burschen etwas vorzulügen.
    »Ich habe ab und zu gearbeitet«, antwortete der Bettler mürrisch. »Ich kann keine Arbeit kriegen, wo Ausländer uns das Brot vom Munde wegnehmen und uns unterbieten.«
    Es war ein alter Vorwand, einer, den er als einträglich erkannt hatte, besonders bei einem gewissen Typ von Menschenfreunden.
    »Haben Sie jemals in Ihrem Leben eine Woche lang gearbeitet, mein Bruder?« fragte der Herr.
    Aha, einer von der »Mein-Bruder-Sorte«, dachte der Vagabund und holte aus seiner Rüstkammer die nötigen Angriffswaffen hervor.
    »Ach, Sir«, erwiderte er demütig, »der HERR hat mir ein schweres Leid auferlegt…«
    Der andere schüttelte wieder den Kopf.
    »Die Welt kann Sie nicht brauchen, mein Freund«, sagte er sanft. »Sie nehmen einen Platz weg und atmen die Luft, die besser zu verwenden wäre. Sie gehören zu der Sorte, die alles verbraucht und es zu nichts bringt. Sie leben von der Mildtätigkeit arbeitender Leute, die es sich nicht leisten können, Ihnen ihre schwerverdienten Pfennige zu geben.«
    »Wollen Sie etwa einem Mitmenschen verbieten, die ganze Nacht umherzuwandeln?« rief der Strolch frech.
    »Das geht mich nichts an, mein Bruder«, entgegnete der andere kalt. »Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich Sie nicht so herumlaufen lassen.«
    »Also gut«, fiel der Bettler, ein wenig beruhigt, ein.
    »Ich würde Sie genauso behandeln, wie man einen umherstreichenden Hund behandeln sollte …« Damit drehte er sich um und wollte seinen Weg fortsetzen.
    Der Strolch, wutentbrannt, zauderte einen Augenblick. Das Embankment war verlassen, kein Polizist zu sehen.
    »Hiergeblieben!« rief er rauh und packte Kerrys Arm.
    Nur eine Sekunde, dann fuhr ihm eine Faust wie von Stahl unter das Kinn, so daß er auf den Fahrdamm taumelte und sich nur mit Mühe aufrecht halten konnte.
    Wie erschlagen blieb er auf dem Bordstein stehen und sah seinem langsam davonschreitenden Widersacher nach. Sollte er ihm folgen und Lärm schlagen? Möglich, daß der Fremde ihm einen Shilling gäbe, um eine öffentliche Gerichtsverhandlung zu vermeiden. Aber andererseits war der Strolch ebenso ängstlich, vielleicht noch ängstlicher besorgt als der Fremde, der Öffentlichkeit aus dem Wege zu gehen. Wir wollen ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen: Er hatte Haare und Bart sicherlich nicht so lange wachsen lassen, weil er einem Einsiedler ähnlich sehen wollte; das hatte einen ganz anderen Grund. Er hätte gar zu gern mit dem Herrn abgerechnet, aber das war zu gefährlich.
    »Sie sind an den Verkehrten gekommen, was?«
    Der Bettler fuhr wütend herum.
    Neben ihm stand Hermann Zeberlieff, King Kerrys Schatten, der dem Vorfall interessiert zugeschaut hatte.
    »Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Quark!« knurrte der Bettler und wollte sich davonmachen.
    »Einen Augenblick!« Der junge Mann vertrat ihm den Weg. Er griff in die Tasche, zog eine kleine
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