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003 - Rom sehen und sterben

003 - Rom sehen und sterben

Titel: 003 - Rom sehen und sterben
Autoren: Timothy Stahl
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heute nicht. Sie hatte die Flucht wie in Trance erlebt, gelähmt von tiefstem Entsetzen wegen der beiden Todesopfer. Sie erinnerte sich ganz vage an eine wüste Verfolgungsjagd auf Frekkeuschern. Aber es kam ihr vor, als sei sie nicht selbst dabei gewesen, sondern habe nur jemanden davon erzählen hören.
    Und jetzt war es vorbei.
    Ihre Flucht lag Tage zurück, sie hatten das karge Nordland längst hinter sich gelassen, und es hatte den Anschein, als würde man ihnen nicht länger folgen.
    Nur die Angst folgte noch ihrer Fährte; zumindest Noone hing sie noch an. Wie ein Raubtier, dessen Geduld endlos war, das nicht abließ von einer Beute und auf den richtigen Augenblick wartete. Bis es dann zuschlug, irgendwann, unverhofft…
    ***
    Es verging kein Tag, der nicht neue Fragen aufwarf.
    Und keine Nacht, in der Commander Matthew Drax nicht über Antworten nachgrübelte. Ohne sie zu finden…
    Schlaf war für Matt seit den Erlebnissen in Bolluna zur Rarität geworden. Sobald er sich hinlegte, schien sein Gehirn das als Aufforderung zu verstehen, auf Hochtouren zu laufen. Er konnte dann einfach nicht aufhören, über seine Situation nachzudenken. Verstieg sich in abenteuerliche Überlegungen, konstruierte abstruse Theorien. Bis er sich regelmäßig wie in Fieberträumen gefangen vorkam.
    Deshalb schob Matt den Schlaf auf die lange Bank. Er wartete, bis sein Körper so erschöpft war, dass er seinem Willen kaum noch gehorchte. Erst dann legte er sich aufs Ohr und versank in einen Zustand, der Bewusstlosigkeit viel eher glich als normalem (und gesundem) Schlaf.
    Und bis er dieses Stadium erreichte, fuhr Matthew Drax. Seine Finger umklammerten das Lenkrad des Hummer-Jeeps, als müsse er sich daran festhalten. Aus brennenden Augen starrte er über die Motorhaube in die Nacht, die nur vom blassen Vollmond erhellt wurde. Die Scheinwerfer funktionierten längst nicht mehr. Es schien, als sei die Dunkelheit mehr als die bloße Abwesenheit von Licht. Als sei zähe Schwärze zwischen die Baumriesen herabgeflossen und geronnen.
    Worüber Matthew Drax sich nicht einmal wirklich gewundert hätte. Weil es kaum noch etwas gab, über das er sich wunderte.
    Der Wald beispielsweise, den sie heute erreicht hatten. Er bestand zu einem gut Teil aus gewaltigen Bäumen. Nichts Ungewöhnliches, und Matt Drax hatte nicht zum ersten Mal im Leben Mammutbäume mit eigenen Augen gesehen. Als er noch ein Junge gewesen war, hatte sein Vater ihn oft zum hiking mitgenommen, durch die teils immer noch unberührten Landschaften des amerikanischen Westens. Sie hatten unter dem Sternenzelt campiert, und Dad hatte ihm viel über die Natur und ihre Gesetze beigebracht. Und neben unzähligen anderen Dingen hatte er seinen Sohn gelehrt, dass Mammutbäume bis zu hundertzwanzig Meter hoch werden und ihre Stämme einen Durchmesser von etwa zehn Metern erreichen konnten - und dass es diese Bäume nur im westlichen Teil Nordamerikas gab.
    Jetzt aber fuhr dieser Sohn von damals durch Italien - und zwischen den mächtigen Stämmen von Mammutbäumen hindurch!
    Irrsinn. Und unmöglich. Aber es passte. Es fügte sich nahtlos ein in das Bild, das Matthew Drax immer deutlicher vor Augen sah. Jenes Bild, das ihm zeigte, was passiert war, wo er gelandet war, und das sich zusammensetzte aus einzelnen Teilen, die - jedes für sich genommen - einfach nicht sein konnten! Aber in ihrer Gesamtheit machten sie Sinn, auch wenn Matt Drax ihn nicht begriff - oder eher wohl: noch immer nicht begreifen wollte.
    All die Dinge und Details, auf die er im Laufe der vergangenen Wochen gestoßen war, ergaben das Bild einer neuen Welt. Einer Welt, die aus den Trümmern der alten entstanden war. Aus den Resten jener Welt, der Matt Drax entstammte. Die vergangen schien, nein, untergegangen war. Vernichtet von
    »Christopher-Floyd«, einem acht Kilometer durchmessenden Koloss aus Fels und Eis, der aus dem All auf die Erde gestürzt war vor…
    Ja, das war die große Frage, die entscheidende. Die Frage, auf die Matt Drax am allerwenigsten von allen eine Antwort wusste: Wie viel Zeit war seit dem Einschlag des Kometen vergangen?
    Sehr viel mehr jedenfalls, als er eine ganze Weile lang angenommen hatte. Das immerhin war ihm mittlerweile klar geworden. Der big bang lag mehr als nur ein paar Wochen zurück, und auch nicht nur ein paar Monate. Sondern Jahre.
    Drax schluckte hart.
    Selbst diese Annahme war noch untertrieben. Ach was, eine Scheißlüge war sie! Einer dieser erbärmlichen Versuche, sich
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