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0028 - Wir - in den Katakomben von Paris

0028 - Wir - in den Katakomben von Paris

Titel: 0028 - Wir - in den Katakomben von Paris
Autoren: Delfried Kaufmann
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aber für die Menge Menschen, die John F. Starp eingeladen hatte, war sie doch reichlich eng.
    »Ich denke, wir suchen Rückendeckung an der Reling«, schlug Phil vor.
    Wir zogen uns zurück, lehnten uns an und hofften darauf, daß einer der weißbejackten Stewards, die sich mit Tabletts voll Drinks durch die Leute zwängten, sich in unsere Nähe verirren würde.
    Endlich näherte sich ein Steward, und wir nahmen uns jeder einen Sherry, aber mein Glas war das letzte, und gerade als ich es nahm, drehte sich ein Mann im Smoking um, der bisher in das trübe Wasser des Flusses gestiert hatte, und bemerkte höchst ungeniert beim Anblick des leeren Tabletts: »Oh, verdammt!«
    »Tut mir leid, Sir«, bedauerte ich.
    »Oh, macht nichts«, antwortete er mißmutig. »Jeder ist sich selbst der Nächste.«
    »Bringen Sie noch ein paar Drinks!« pfiff er den Steward an, der noch in der Nähe stand. »Eure Bedienung hier ist scheußlich saumselig.«
    Er hatte sich mit einer solchen Selbstverständlichkeit der englischen Sprache bedient, als befände er sich mitten in London und nicht in der Hauptstadt Frankreichs. Er war groß, sehnig und wirkte hager, war aber breit in den Schultern. Sein Gesicht war faltenreich und sein Mund gekrümmt und fast lippenlos.
    Er musterte uns ungeniert aus hellen, harten Augen und knurrte dann: »Ich heiße Frederic Bower. Aus Liverpool. Mein Kahn liegt ein Stück flußaufwärts. Hübsches Schiff, auf das ich ziemlich stolz bin, wenn es natürlich auch nicht so protzig ist wie Starps Ozeandampfer hier. Ich habe ihn ›Waves‹ getauft. Guter englischer Name, nicht wahr? Habe nichts über für diese italienischen oder lateinischen Namen, mit denen sie jetzt ehrliche Schiffe taüfen.«
    Wir nannten unsere Namen, und Mr. Bower lockte uns in ein tiefes Fachgespräch über Schiffe, Takelage, Motoren, Bugformen, Verspannungen und alles, was dazugehört. Es schien kein anderes Thema für ihn zu geben.
    Der Steward kam mit einem Tablett voll Drinks zurück, und Bower gab ihm die strenge Anweisung, sich in der Nähe zu halten. Beiläufig stellte sich heraus, daß er den Beruf eines Reeders ausübte, womit sein brennendes Interesse an Schiffen hinlänglich erklärt war.
    Ich bemühte mich, ihn von seinem Thema fortzulocken. Aus gelegentlichen, meist sehr bissigen Bemerkungen erkannte ich, daß er über die Gesellschaft hier an Bord bestens informiert war. Ich brachte ihn dazu, daß er uns die Namen der einzelnen Leute nannte. »Der Mann dort mit dem vollen grauen Haar und dem braunen Gesicht ist ein Landsmann von Ihnen. Lesly Leading. Hat einen verrückten Beruf. Buddelt im Sand herum und sucht alte Sachen, und je älter sie sind und je weniger man erkennen kann, was sie darstellen, desto entzückter ist er. Altertumsforscher also. Habe nie gedacht, daß man damit Geld verdienen könnte, aber Lesly scheint's zu können. Sein Schiff liegt auf der anderen Seite. Großer Kahn, sehr seetüchtig. Jedenfalls riskiert er es, damit über den Atlantik und in den indischen Ozean zu schippern, wenn er dort etwas Altes zu finden können glaubt. Na, ich würde auf einer solchen Reise der ›Ramses‹ — so nennt er sein Boot — keine Ladung anvertrauen, die mehr als zehn Pfund Wert hat. Leading scheint der Ansicht zu sein, sein Schiff müsse genauso alt und verrottet aussehen wie die Klamotten, die er darauf transportiert. Ich glaube, er hat seit Jahren keinen Cent für Farbe zu einem neuen Deckanstrich ausgegeben.«
    In diesem Augenblick drehte sich Mr. Leading um, erspähte Bower und winkte ihm zu. Bower winkte freundlich grinsend zurück, ohne die geringsten Gewissensbisse zu empfinden, und wandte sich dem nächsten Objekt zu.
    »Sehen Sie sich den Kerl mit dem grauen Vollbart an. Ja, dort der breitbrüstige Bursche in dem uniformähnlichen Dinnerjackett. Heißt Michail Zakolkow, aber ich weiß verdammt nicht, wie man das richtig ausspricht. Soll bei der Revolution als junges Bürschchen aus Rußland geflüchtet sein. Jedenfalls hat er eine Masse Geld. Unterhält ein Büro für Geschäfte mit dem Osten, aber ich will gehenkt werden, wenn er damit das Geld verdienen kann, das er ausgibt. Manchmal deutet er zart an, daß Zakolkow, oder wie man das ausspricht, nicht sein richtiger Name ist, sondern daß er der letzte Sohn eines riesig reichen russischen Großfürsten sei, der einzig Überlebende seiner Familie, aber ich glaube eher, daß er der letzte Stallknecht bei jenem Großfürsten war und den Familienschmuck
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