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0016 - In den Klauen der Vampire

0016 - In den Klauen der Vampire

Titel: 0016 - In den Klauen der Vampire
Autoren: Susanne Wiemer
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man Musik gehört, hätten Lampen hinter den Salonfenstern gebrannt und bunte Glühbirnen über dem Deck geschaukelt. Das Schiff fuhr ganz offensichtlich ohne Passagiere. Es hatte Positionslichter gesetzt, aber ansonsten ließ sich lediglich der grünliche Widerschein der Instrumentenbeleuchtung ausmachen – und das war ungewöhnlich selbst für den Fall, daß die Fähre aus irgendeinem Grund verspätet von einer Tour zurückkam.
    Die Blondine neben Jonny regte sich. Sie richtete sich auf, blickte mit leicht glasigen Augen in die Dunkelheit. »He«, murmelte sie.
    »Was soll denn das bedeuten?«
    Jonny winkte ab. Er war immer noch nicht beunruhigt, nur neugierig. Inzwischen hatte er ausgemacht, daß es sich bei dem Schiff um die »Aloha II« handelte. Er kannte den Kapitän: Morton Danning, einen erfahrenen, besonnenen Seemann mit Patent für große Fahrt und jahrelanger Südsee-Erfahrung. Irgendwelche Extratouren aus reinem Spaßvergnügen waren bei Danning nicht drin. Vielleicht brauchte er Hilfe. Vielleicht waren an Bord irgendwelche Systeme ausgefallen und… Jonny kam zu dem Ergebnis, daß es auf der »Aloha II« einen Unfall gegeben hatte. Möglicherweise wollte Kapitän Danning die Funkeinrichtung der »White Arrow« benutzen, um Hilfe herbeizuholen. Jonny grinste bei dem Gedanken, in welch peinlichem Zustand man den dicken Frobish antreffen würde, und blickte dem Schiff mit funkelnden Augen entgegen.
    Drei Mann waren an Deck, soviel er sehen konnte.
    Hinter den Scheiben des Ruderhauses glaubte er die Hünengestalt des schwedischen Steuermanns Leif Eckström zu erkennen. Morton Danning lehnte an der Reling, neben ihm ein hawaiianischer Matrose. Weiter hinten hob sich die Gestalt eines hageren Mannes mit einem weiten schwarzen Umhang vom Deckhaus ab. Jonny kannte ihn nicht – aber darüber machte er sich keine Gedanken.
    Die »Aloha II« kam längsseits.
    Auch der zweite einheimische Matrose erschien an Deck. Die Motoren erstarben, Taue flogen, der kurze Steg rasselte herunter und fand Halt auf der Reling der »White Arrow«. Jonny stand geschmeidig auf, stützte die Hände in die Hüften und blickte nach oben, um zu helfen, falls es nötig werden sollte.
    Die blonde Verkäuferin aus New York saß immer noch in ihrem Liegestuhl.
    Sie war angetrunken. In ihrem benebelten Hirn nahm sie an, daß die »Aloha II« weitere Partygäste brachte, und war zufrieden. Ihr Blick erfaßte Morton Danning, der als erster auf die Jacht wechselte.
    Er sah bleich aus und irgendwie krank. Aber langweiliger als der schöne Jonny konnte er auch nicht sein, und deshalb erhob sich die Blondine, um ihn sofort mit Beschlag zu belegen.
    Sie hatte gerade zwei Schritte auf ihn zugemacht, als es passierte.
    Danning sah das Mädchen gar nicht. Er starrte den Mann an.
    Ein leiser, knurrender Laut kam aus seiner Kehle – und Jonny spürte das jähe Entsetzen bis ins Mark.
    Er begriff nicht, was ihn eigentlich so erschreckte. Er spürte nur die Gefahr, die von Morton Dannings Blick ausging, seinem fahlen Gesicht, diesem gierigen, irgendwie unmenschlichen Fletschen seiner Zähne. Jonny wich instinktiv zurück, wollte sich herumwerfen, fliehen – aber er hatte nicht einmal den Schimmer einer Chance.
    Danning fiel ihn an wie ein Tier.
    Mit weit aufgerissenen Augen sah das blonde Girl zu, wie sich dieser fremde Mann auf sein Opfer stürzte, Jonny mit einem einzigen Fausthieb zu Boden streckte und sich über den reglosen Körper warf. Das Mädchen sah auch, wie sich Dannings Zähne in die Kehle des Bewußtlosen bohrten – aber sie verstand es nicht. Erst das schlürfende, saugende Geräusch durchdrang den Nebel ihrer Trunkenheit. Sie sah das rinnende Blut, das ekstatische Zucken von Dannings Körper – und das Begreifen traf sie mit der Gewalt eines Keulenschlags.
    Sie schrie nicht.
    Das Entsetzen schnürte ihr die Kehle zusammen. Stumm wich sie zurück, Schritt für Schritt, mit versiegelten Lippen, und starrte auf den Mann in dem schwarzen Umhang, der sich im gleichen Moment an Bord der »White Arrow« schwang.
    Der Blick des Fremden traf sie wie ein Eishauch.
    Sie schauerte. Ihr Rücken stieß gegen die weiße Wand der Aufbauten, aber sie spürte es nicht. Immer noch starrte sie den Fremden an, starrte in diese harten gelben Augen, und tief in ihrem Innern schien sich eine Art brennender, verzehrender Kälte auszubreiten. Das Zittern verebbte.
    Das blonde Girl atmete tief aus, holte erneut Luft und vergaß, was sich um sie herum abspielte.
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