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0016 - In den Klauen der Vampire

0016 - In den Klauen der Vampire

Titel: 0016 - In den Klauen der Vampire
Autoren: Susanne Wiemer
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schleifte die Hünengestalt fast mühelos in eine Ecke des Ruderhauses. Nicht einmal sein Atem hatte sich beschleunigt, als er auf die Gräting trat, mit beiden Fäusten das Steuerrad umfaßte und durch die Fensterscheibe hinaus in die Nacht blickte. Das Wasser war jetzt schwarz, die Inseln nichts anderes als unregelmäßige Flecke, in denen sich keine Sterne spiegelten. Wie eine bleiche, blaßgoldene Scheibe hing der Mond am Himmel, die Nüstern des Fremden blähten sich, und er erbebte wie unter der Berührung einer fremden, alles durchdringenden Kraft.
    Die »Aloha II« änderte ihren Kurs.
    In weitem Bogen pflügte sie durch das stille Wasser, ließ die dunklen Höcker der Inseln hinter sich und glitt wieder auf das Riff zu…
    ***
    Morton Danning erwachte in der Hitze des Mittags.
    Sein Schädel schmerzte, und in seinen Gliedern spürte er ein seltsames Gefühl der Starre. Dunkelgrüne Schatten umgaben ihn, der Boden unter ihm war trocken und weich. Mühsam öffnete er die Augen und schloß sie sofort wieder, weil ihn selbst das wenige einfallende Licht schmerzte.
    Er strengte seinen Kopf an, was mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden war. Immerhin reichte es zu der Feststellung, daß er nicht wußte, wo er sich befand, und daß er – was ihn weit mehr beunruhigte – auch keine Ahnung hatte, wie er hierhergekommen sein konnte.
    Hatte er getrunken?
    Eine dieser fürchterlichen Sauftouren durch sämtliche Kneipen von Honolulu unternommen?
    Es war lange nicht mehr passiert, aber es lag im Bereich des Möglichen. Er erinnerte sich nur noch dunkel, daß er eine Fahrt zu den Johnston-Inseln gemacht hatte. Und danach… Er schüttelte den Kopf. Der scharfe Schmerz, der ihn dabei durchzuckte, schien seltsamerweise seine Gedanken zu klären. Erneut öffnete er die Augen, stützte sich auf die Ellbogen und sah sich um.
    Blätter raschelten, Ranken schaukelten vor seinem Gesicht. Er lag unter einer dichten Matte aus Schlinggewächsen, geschützt wie in einer Höhle. Nur einzelne Sonnenstrahlen stachen durch das Blätterdach, der Boden war getupft mit goldenen Reflexen, und irgendwo zerriß ein Vogelschrei die Stille wie ein Signal.
    Danning riß sich zusammen und kroch unter den Schlinggewächsen hervor. Hier draußen herrschte immer noch Schatten, hohe, schlanke Stämme trugen ein dichtes Dach aus verflochtenen Baumkronen, aber es fiel genug Licht ein, um den schmerzhaften Druck hinter Dannings Augen zu verstärken. Er mußte einen fürchterlichen Kater haben – anders ließ sich sein Zustand seiner Meinung nach nicht erklären. Sein ganzer Körper war steif, seine Glieder schienen ihm nicht gehorchen zu wollen. Er biß die Zähne zusammen, sah sich um und fragte sich, auf welcher der Inseln er sich wohl befinden mochte.
    Ehe er eine Antwort darauf fand, fiel sein Blick auf die leuchtenden Früchte an den Bäumen, und dabei wurde ihm bewußt, daß er quälenden Hunger hatte.
    Er brauchte nur ein paar Schritte zu machen und die Hand auszustrecken. Aber als er die Frucht in den Fingern hielt, überkam ihn plötzlich heftiger Widerwille. Er preßte die Zähne zusammen, kämpfte mit sich. Der Hunger zog seine Eingeweide zusammen, gleichzeitig spürte er unüberwindlichen Ekel.
    Er stieß einen Fluch aus, schleuderte die Frucht wütend in das Gewirr der Schlinggewächse und wandte sich ab, um sich einen Weg aus dem Wald heraus zu suchen.
    Instinktiv wählte er die Richtung, bei der er die Sonne im Rücken hatte, weil er das Licht nicht ertrug. Er folgte einem der schmalen Pfade, die den Wald durchkreuzten, und fragte sich dabei, ob sie von Menschen oder von Tieren getrampelt worden seien. Einen bewohnten Eindruck machte die Insel nicht. Morton Danning schob zornig die Fäuste in die Taschen, marschierte weiter und verfluchte die Umstände, die ihn in diese Situation gebracht hatten und an die er sich beim besten Willen nicht erinnern konnte.
    Allmählich lichtete sich der Wald um ihn. Das Licht wurde heller, und mit der Helligkeit wuchs die lähmende Schwäche in Dannings Gliedern. Die Luft um ihn schien zu kochen, die Sonne mit spitzen Glutpfeilen nach ihm zu schießen. Am liebsten wäre er umgekehrt, hätte sich wieder im schützenden Schatten unter der Schlingpflanzenmatte verkrochen, aber er nahm sich zusammen und marschierte weiter.
    Der Wald ging in einen lichten Palmengürtel über. Zwischen schlanken grauen Stämmen und Federwipfeln schimmerte tiefblau das Wasser der Lagune, schwamm das Riff weiter draußen zu
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