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0011 - Das Todesschloß

0011 - Das Todesschloß

Titel: 0011 - Das Todesschloß
Autoren: Franc Helgath
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niemand auf diese blendende Idee gekommen. Sie sind der einzige Henker auf Exmoor Castle.«
    »Gott sei Dank«, sagte Meredith Gloombstone. »Komme ich etwa zu spät? Die Leute haben mich so komisch angesehen, als ich hereinkam.«
    »Sie täuschen sich bestimmt«, meinte der Earl. »Niemand hat Sie komisch angesehen. Und Sie kommen auch nicht zu spät zum Essen.«
    »Das trifft sich ausgezeichnet. Ich habe nämlich heute vergessen, mein Abendbrot zu mir zu nehmen. Ich werde in letzter Zeit überhaupt immer verwirrter.«
    »Sehen Sie sich ruhig hier um. Die meisten Gäste werden Sie ja kennen.«
    »Hm. Ich sehe mich mal um.«
    Der Earl ließ seinen letzten Gast stehen. Einem anderen wäre diese Geste oder Unhöflichkeit vielleicht aufgefallen, nicht aber Meredith Gloombstone. Er glotzte aus seinem einen Auge, und sein Blick traf auf Professor Zamorra und seine Begleitung.
    Seine Miene hellte auf. »Guten Abend, Herr Professor. Um ein Haar hätte ich Sie nicht erkannt. Sie sind der erste Professor, den ich im Rock sehe.«
    Er kicherte albern, als hätte er einen besonders guten Witz gemacht.
    »Sie sollten öfter mal nach Schottland fahren«, entgegnete Professor Zamorra knapp. »Sie haben übrigens einen sehr schönen Dolch im Gürtel stecken. Ist der echt?«
    »Aber natürlich. Das Kostüm ist auch echt. Es stammt noch aus der Zeit von Ebenezer. Erinnern Sie sich, daß ich Ihnen erzählte, daß er mit Vorliebe Leibeigene pfählen ließ? Nun, bei diesen Gelegenheiten trug er immer dieses Gewand. War sozusagen seine Sportkleidung.« Er kicherte wieder, und es klang wie das Blackern einer Hyäne.
    »Bleibt nur zu hoffen, daß Sie Ebenezers Sportgeräte nicht mitgenommen haben«, meinte Professor Zamorra.
    Meredith Gloombstone war ein Kretin. Schon bei den vorherigen Gelegenheiten hatte er nicht den wachsten Eindruck gemacht, doch heute schien er seinen Verstand überhaupt nicht zu gebrauchen. Er lachte wie irr und hektisch über die Bemerkung Zamorras.
    »Sportgeräte«, lachte er japsend, »köstlich. Sportgeräte. Die Idee könnte genausogut von mir stammen. Nein, wie köstlich. Aber ich kann Sie beruhigen. Der Dolch ist das einzige – hihihi – Sportgerät.«
    Er lachte noch, als sich Zamorra und Nicole schon längst wieder von ihm abgewandt hatten.
    »Ist er übergeschnappt?« fragte Nicole, nachdem sie sich außer Hörweite befanden. »So aufgekratzt habe ich schon lange niemanden mehr erlebt.«
    »Übergeschnappt wäre vielleicht nicht die treffende Bezeichnung«, antwortete Zamorra. »Ich glaube eher, der arme Kerl macht eine Persönlichkeitsspaltung durch. Deshalb reagiert er so – na, sagen wir mal – ungewohnt.«
    »Persönlichkeitsspaltung? Wie soll ich nun das wieder verstehen?«
    »Meredith Gloombstone ist nicht mehr Herr seiner Sinne. Er wird von einem anderen übernommen. Von einem, der stärker ist als er. Von einem seiner Ahnen. Ebenezer Gloombstone hieß er. Vermutlich hat jener Herr vor zweihundert Jahren Griselda am Tag ihrer Verlobung ermordet!«
    Nicole blieb stehen und schaute ihren Chef fest an. »Und das glauben Sie tatsächlich, Professor?« fragte sie ungläubig.
    »Sie werden es auch noch glauben, wenn diese Nacht vorbei ist. Aber ich sehe gerade, daß sich die Herrschaften zum Essen sammeln. Es wird ein großes Gedränge am kalten Büfett geben. Achten Sie darauf, daß Sie Gladys nicht aus den Augen verlieren. Ich werde auf den Henker aufpassen.«
    Zamorra hatte so ernst und bestimmt gesprochen, daß Nicole ihre Widerrede hinunterschluckte. Sie erkannte, daß Zamorras Sorge um Gladys echt war. Und wenn Professor Zamorra sich sorgte, dann gab es auch einen Grund dazu.
    »Gut, Chef«, nickte Nicole mit einem Ernst, den sie sonst nicht an den Tag legte. »Ich werde aufpassen.«
    »Sie ist gerade drüben bei Winston. Dort am Anfang der Schlange zum kalten Büfett. Bevor die Verlobung nicht öffentlich verkündet ist, wird wohl nichts geschehen, aber wir müssen vorsichtig sein.«
    Zamorras Augen suchten Meredith Gloombstone. Der Professor wechselte noch einen Blick mit Nicole, dann löste er sich von der Wand, an der sie gestanden hatten. Scheinbar gelangweilt reihte er sich in die Schlange der Wartenden ein. Gloombstone, den Henker, behielt er ständig im Blickfeld.
    Meredith merkte nichts davon, daß er beobachtet wurde. Er widmete sich voll und ganz dem, was er sich auf den Teller geladen hatte.
    Professor Zamorra wählte Rehrücken und Trüffelpastete, dazu noch ein paar Stückchen
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