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0009 - Der Hexenmeister

0009 - Der Hexenmeister

Titel: 0009 - Der Hexenmeister
Autoren: Gerhart Hartsch
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unerwarteten Zwischenfällen war gedeckt.
    »Ist sie…?« erkundigte sich das Mädchen stockend.
    »Natürlich ist sie tot«, nickte der Amerikaner.
    »Ich meine, ob sie eines natürlichen Todes gestorben ist«, ergänzte Nicole Duval.
    »Ich kann keine äußeren Verletzungen erkennen«, meinte Bill Fleming. »Aber das hat natürlich nichts zu sagen. Die Alte ist hervorragend präpariert worden.«
    Eine dicke farblose Lackschicht bedeckte den Körper der Leiche.
    »Wir wollen jetzt wirklich gehen«, drängte Nicole Duval und schaute sich ängstlich um. Sie fürchtete, daß noch weitere unangenehme Überraschungen im Halbdunkel des muffigen Kellergewölbes lauerten.
    Überraschend schnell erklärte sich Bill Fleming einverstanden.
    »Welch ein Tollhaus!« staunte der Amerikaner. »Ich gewinne langsam die Überzeugung, daß es tatsächlich besser ist, in einem anderen Haus Unterkunft zu suchen.«
    »Niemand wird uns aufnehmen, sobald die Leute erfahren, daß Sie die Ruine besuchen wollen, Bill«, schüttelte Nicole den Kopf.
    Sie hatte die Führung übernommen und nahm schnell die Stiege, die ins Erdgeschoß des weitläufigen Gebäudes hinauf führte.
    Bill Fleming trug noch immer die Kerze in der Hand.
    Irgendwo stand eine Tür weit offen. Der Windzug strich durch das stille Haus. Er blies die Kerze aus.
    »Licht«, bat Nicole Duval ängstlich. »Um Himmels Willen, sorgen Sie für Licht, Bill.«
    Bill Fleming riß ein Streichholz an.
    Wieder schrie Nicole Duval auf.
    Unter der Tür stand ein Kerl, wie aus einem Seeräuberroman entsprungen.
    Er trug eine korsische Mütze, scharlachrot, ein helles Hemd und schwarze knielange Hosen. Aus blutunterlaufenen Augen starrte er auf die Besucher. Das schwarze fettige Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Der starre Blick des linken Auges verriet, daß es aus Glas war.
    Das schlimmste aber war seine Hand. Sie bestand aus einer Holzprothese, die in einem stählernen Haken endete. Der Einäugige stank nach Schnaps.
    »Hallo, Monsieur«, lächelte der Bursche. »Mit wem habe ich die Ehre? Wann sind Sie angekommen? Haben Sie eine gute Reise gehabt?«
    »Bill Fleming«, stellte sich der Amerikaner vor. »Dies hier ist Nicole Duval, eine Landsmännin von Ihnen. Sind Sie der Wirt?«
    »Allerdings«, bestätigte der Mann, der Landestracht trug. »Nennen Sie mich Armand. Das tun alle im Dorf.«
    Er seufzte abgrundtief.
    »Jedenfalls, soweit sie mit mir noch sprechen«, fügte er hinzu.
    Er sah ziemlich verbittert aus.
    »Wie meinen Sie das?« hakte Bill Fleming nach.
    »Nun, ich lebe mit den meisten hier in Streit. Sie behaupten, ich hätte meine Mutter umgebracht. Welch ein Blödsinn! Warum hätte ich das tun sollen? Außerdem müßte erst einmal die Leiche gefunden werden!«
    »Ist das etwa die alte Dame im Keller?« fragte Nicole Duval.
    Der Wirt starrte sie mit offenem Mund an.
    »In meinem Keller?« fragte er verblüfft. »Sie müssen sich täuschen. Fangen Sie nur nicht auch noch an. Es ist auch so schnell genug allerhand Unsinn geredet. Dieses Dorf ist furchtbar. Die Leute trauen sich gegenseitig nicht über den Weg. Jeder schnüffelt jedem nach. Mein Gott, ist es da ein Wunder, daß sich ein Mann wie ich ab und zu ein Gläschen genehmigt? Vielleicht habe ich auch des Guten zuviel getan. Ich muß in der Scheune eingeschlafen sein. Dabei hätte ich Sie beinahe nicht bemerkt. Und Sie, Monsieur und Mademoiselle, sind meine ersten Gäste in diesem Jahr. Es verirrt sich selten ein Fremder nach Pelote.«
    »Ich werde etwa eine Woche bleiben«, entschied Bill Fleming.
    »Haben Sie zwei brauchbare Zimmer?«
    »Mehr. Ich habe mehr. Und alle sehr gut in Schuß. Ich habe eine Reinmachefrau, die täglich kommt. Das Kochen übernehme ich. Es wird Ihnen an nichts mangeln. Ich war bei der Fremdenlegion und bin viel herumgekommen. Ich kenne die internationale Küche. Wenn Sie hungrig sind, zaubere ich Ihnen auf der Stelle ein herrliches Gericht.«
    »Nein, nein«, murmelte der Amerikaner. »Das einzige, was ich weiß, ist, daß es bald dämmert und ich diese Nacht noch kein Auge zugemacht habe. Auch meine Begleiterin ist rechtschaffen müde. Zeigen Sie uns unsere Zimmer. Wir möchten endlich zur Ruhe kommen, Armand, bitte!«
    »Sie sprechen ein vorzügliches Französisch«, lobte der Wirt und kramte hinter der Bar eine Petroleumlampe hervor. Er zündete sie an.
    »Darf ich fragen, was Sie eine ganze Woche in Pelote anfangen wollen, Monsieur?« erkundigte sich der Wirt, während er vor seinen Gästen
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