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0005 - Der Scharfrichter

0005 - Der Scharfrichter

Titel: 0005 - Der Scharfrichter
Autoren: Horst Friedrichs
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Kenneth Jones, der bereits unter jenem Bann stand, der ihn aus der Finsternis heraus gepackt hielt. Wieder hallte die schaurige Stimme durch den Raum.
    »Walte jetzt deines Amtes, das du für mich übernommen hast!«
    »Ja, Herr!« murmelte der junge Mann noch einmal.
    Professor Zamorra wagte nicht, sich zu bewegen.
    Durch eine unsichtbare Hand geöffnet, schwang plötzlich die Klappe des Schaukastens auf. Die Polizeisiegel lösten sich vom äußeren Rahmen, hafteten jedoch unversehrt an der hölzernen Umrahmung der verglasten Klappe.
    Kenneth Jones erhob sich wie in Trance. Mit mechanischen Bewegungen streifte er seine Kleidung ab und schlüpfte in die Kluft des Scharfrichters, die ihm wie auf den Leib geschneidert war. Als letztes setzte er die topfförmige Mütze auf, die sein Gesicht nahezu vollständig verbarg.
    Dann löste er mit einem entschlossenen Ruck das Richtschwert aus der Halterung und legte sich die breite Klinge auf die Schulter.
    Reaktionsschnell verbarg sich Professor Zamorra im nächstgelegenen Türrahmen. Sein Herz hämmerte schmerzhaft gegen die Rippen. Welchen Auftrag Kenneth Jones zu erfüllen hatte, stand ihm in schrecklicher Gewißheit vor Augen.
    Nicole und Bill!
    Gordon Basil Jones und die Grafen-Dämonen hatten diesen teuflischen Trick ersonnen, um sich ihren Widersacher vom Hals zu schaffen. Indem sie Nicole und Bill töteten, wußten sie, daß sie Zamorra aus der Reserve locken konnten, ihn zu Unvorsichtigkeiten veranlaßten…
    Sein Herzschlag setzte einen Atemzug lang aus, als der Scharfrichter zum Greifen nahe den Korridor betrat. Der schwefliggelbe Lichtschein umgab ihn wie eine Glocke. Doch er bemerkte den Professor nicht, stapfte mit schweren Schritten auf die Treppe zu.
    Zamorra wartete noch.
    Er wußte jetzt: Der Mann dort vorn war nicht mehr Kenneth Jones.
    Es war Gordon Basil Jones, der Scharfrichter, der aus dem Reich der Finsternis kam und in den Körper seines jungen Nachfahren schlüpfte.
    Kenneth Jones mußte ein willfähriges Objekt sein, das der Geist des Scharfrichters mühelos für seine mörderischen Zwecke mißbrauchen konnte.
    ***
    Eine eiskalte innere Ruhe erfüllte Professor Zamorra, als er die Verfolgung des Scharfrichters aufnahm. Er wußte jetzt, daß ihn das Amulett davor schützte, entdeckt zu werden.
    Nur die Dämonen hatten die Fähigkeit, seine Anwesenheit zu spüren. Nicht jedoch der Scharfrichter, der offenbar nur einen Teil der geheimnisvollen Kräfte besaß. Auch hierin lag die Tatsache begründet, daß die Grafen-Dämonen als seine Beschützer fungierten.
    Zweifellos war die Abwesenheit der Dämonen mit Nicoles und Bills Verschwinden zu erklären.
    Zamorra mußte sich zwingen, bei diesem Gedanken ruhig zu bleiben.
    Der Scharfrichter schritt langsam die Treppe hinunter. Unten angekommen, strebte er nicht auf den Ausgang zu, sondern näherte sich zielstrebig den hinteren Türen in der Halle.
    Dann, als Jones genau jene Tür benutzte, durch die der Professor in der ersten Nacht von den Dämonen geschleift worden war, gab es für ihn keinen Zweifel mehr, wo sich Nicole und Bill befanden. Die Folterkammer.
    Allein die Tatsache, daß der Scharfrichter den Auftrag hatte, die beiden hinzurichten, ließ Zamorra hoffen, daß sie noch am Leben waren. Es war also nicht zu spät. Doch jede Minute war kostbar. Der winzigste Fehler würde bedeuten, daß Nicole und Bill sterben mußten.
    Der Scharfrichter verschwand hinter der Tür, die in die unterirdischen Gewölbe von Llangurig Castle führte.
    Zamorra wartete nur wenige Sekunden lang.
    Dann schlüpfte er ebenfalls in den Gang, der von feuchter, modriger Luft erfüllt war.
    Weit vorn schimmerte der schwefliggelbe Lichtschein, in dessen Zentrum sich die Silhouette des Scharfrichters bewegte. Dumpf hallten seine Schritte durch das enge Gewölbe.
    Zamorra kam lautlos voran. Schon bald stellte er fest, daß Jones den gleichen Weg benutzte, auf dem ihn auch die Dämonen in die Folterkammer geschleift hatten.
    Kurze Zeit später entdeckte Zamorra die zehn Treppenstufen, die weiter in die Tiefe führten.
    Aus einem Instinkt heraus riskierte er einen Blick in die Gruft, die er zuvor noch nicht entdeckt hatte. Pechfackeln flackerten in den gußeisernen Halterungen, warfen zuckendes Licht auf die fünf Sarkophage.
    Zamorra überlegte nicht lange. Der Scharfrichter war noch nicht weit entfernt.
    Rasch eilte der Professor die Steinstufen hinunter. Beklemmende, staubtrockene Luft legte sich auf seine Atemwege. Er kümmerte
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