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0005 - Der Scharfrichter

0005 - Der Scharfrichter

Titel: 0005 - Der Scharfrichter
Autoren: Horst Friedrichs
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blakenden Lichtpunkt, der auf den Hügel zutanzte. Sie erkannte die Statur von George, dem Knecht. Dann erhellte die Laterne den verkrümmten Körper auf der Hügelkuppe - und das vom Rumpf getrennte Haupt, das zwei, drei Schritte entfernt lag.
    Wieder schrie Francis Harding. Doch diesmal hatte ihre Stimme nichts Menschliches mehr.
    Eine Ohnmacht erlöste sie von den Qualen.
    ***
    Weit reichte der Blick über das romantische Tal der Loire. Wälder und Höhenzüge zeigten sich unter der strahlenden Morgensonne in sattgrünem Glanz. Auch die Zinnen und Türme von Château Montagne wirkten an diesem Morgen heller und freundlicher als sonst. Nichts erinnerte mehr an die düsteren Stunden jener Tage, die noch nicht sehr lange zurücklagen.
    Doch dieser Eindruck war nur äußerlich.
    Lange blickte Professor Zamorra durch das Fenster seines Arbeitszimmers auf die Serpentinen hinab, die sich vom Schloß bis zur Hauptstraße schlängelten. Auf der anderen Seite des Flusses duckten sich die niedrigen Häuser des Dorfes an die sanften Hänge.
    Dort unten, das wußte Zamorra, würden die furchtbaren Geschehnisse auf Château Montagne niemals in Vergessenheit geraden. Das Unfaßbare, das Unerklärliche wurde mit dem Mantel des Schweigens zugedeckt. Doch es lebte in den Menschen fort. Und in späteren Jahrhunderten oder gar Jahrzehnten würde es zu den vielen Sagen gehören, die es über das alte Schloß der Montagnes zu erzählen gab.
    Professor Zamorra verscheuchte die Gedanken, die ihn tiefsinnig machten. Diese friedlichen Morgenstunden waren nicht geeignet, um sie für derartige Überlegungen zu verschwenden.
    Der große, schlanke Mann kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und begann, die gerade eingetroffene Post durchzusehen. Hellwache graue Augen standen in seinem schmalen, markanten Gesicht. Mit wenigen Blicken überflog Professor Zamorra die Briefe, die größtenteils von befreundeten Wissenschaftlern stammten, mit denen er seine Forschungsergebnisse austauschte.
    Eine relativ kurze Mitteilung kam von Bill Fleming aus New York.
    Stirnrunzelnd hob Zamorra den Briefbogen vom Schreibtisch auf, als könne er dadurch die Bedeutung der Worte eher erfassen.
    Verehrter Freund!
    Möglicherweise bedeuten diese Zeilen keine Überraschung für Dich, zumal Du in Deiner neuen Heimat auf Château Montagne die Zeitungen sicherlich mit noch mehr Interesse verfolgst als bisher. Dennoch möchte ich Dich auf einen Bericht aufmerksam machen, der soeben in der »New York Times« erschienen ist. Es handelt sich um die mysteriösen Mordfälle, die aus Wales gemeldet werden. Die Art und Weise der Tatausführung erscheint mir hoch interessant - besonders deshalb, weil sich dadurch unter Umständen Rückschlüsse auf bevölkerungshistorische Zusammenhänge ziehen lassen. Ich habe vor, mich an Ort und Stelle über diese Dinge zu informieren. Wie ich Dich kenne, wirst auch Du nicht abgeneigt sein, einen Trip nach Wales zu unternehmen. Bestimmt gibt es dort für uns beide - trotz gegensätzlicher Ansichten - wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Gib mir bitte Nachricht, wie Du Dich entschieden hast.
     
    Herzliche Grüße Dein Bill
     
    Langsam, fast bedächtig ließ Professor Zamorra den Brief sinken. Bill verstand es wie eh und je, ihm eine Sache schmackhaft zu machen. Ein feines Lächeln umspielte Zamorras Lippen. Bill Fleming war Historiker und Naturwissenschaftler. Im Gegensatz zu Zamorra, der sich als Forscher auf dem Gebiet der Parapsychologie einen Namen gemacht hatte, versuchte Fleming, die geheimnisvollen Fälle, in die sie beide gerieten, durch reine Logik zu erklären.
    Wie es schien, hatte Bill auch diesmal vor, zu einem solchen Wettstreit der wissenschaftlichen Erkenntnisse gegen ihn anzutreten.
    Zamorra wurde ernst, als er sich die neuesten Ausgaben des »Paris Match« und des »France Soir« vornahm. Die Berichte, auf die Bill Fleming hingewiesen hatte, waren nicht schwer zu finden. Es handelte sich um Agenturberichte. Das ließ darauf schließen, daß die Schreckensmeldungen aus Wales vermutlich bereits in der ganzen Welt verbreitet wurden.
    Besonders ausführlich schilderte der »France Soir« die blutigen und rätselhaften Geschehnisse:
    Llangurig (Wales). Furcht und Entsetzen breiten sich nach einem neuen, bislang ungeklärten Mordfall unter der Bevölkerung von Llangurig, einer County-Hauptstadt im westlichen Wales, aus. In der Nacht zum Montag wurde der 46jährige Farmer Geoffrey Harding auf seinem Anwesen - nur wenige Kilometer
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