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0005 - Der Scharfrichter

0005 - Der Scharfrichter

Titel: 0005 - Der Scharfrichter
Autoren: Horst Friedrichs
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jedoch zuverlässig wie ein Fels in der Brandung, wenn es darauf ankam. In ihrer Arbeit als Sekretärin war Nicole nicht zu übertreffen.
    »Ich erledige es sofort«, versprach sie, »wann wollen Sie abreisen, Professor?«
    »Ich?« entgegnete er mit gespielter Verblüffung. »Wir, Nicole!«
    Die Goldfunken in ihren dunkelbraunen Augen leuchteten heller.
    »Aber jemand muß sich um das Schloß kümmern«, meinte sie zögernd.
    »Keine Widerrede! Wir haben genügend Personal auf Château Montagne. Und einen überaus verläßlichen Butler.«
    »Also, gut«, seufzte Nicole, »zwei Flugkarten nach London?«
    »Erraten.«
    »Und wann?«
    »Heute nachmittag. Suchen Sie einen geeigneten Termin heraus.«
    Nicole wandte sich zur Tür des Arbeitszimmers.
    »Es wird Ihnen nicht gelingen, Professor«, erklärte sie, als sie die Klinke schon in der Hand hatte.
    »Was?« fragte er scheinbar ahnungslos.
    »Mich das Fürchten zu lehren!«
    »Habe ich das jemals vorgehabt?«
    Lachend verließ Nicole den Raum. Noch einen Moment lang haftete Zamorras Blick auf ihrer frechen Stupsnase und ihrem kurzen Haarschopf, dessen wirkliche Farbe er bislang vergeblich zu ergründen gesucht hatte. An diesem Morgen schimmerte ihr seidenweiches Haar rostbraun. Doch sie besaß einen unendlichen Ideenreichtum, was immer neue Frisuren und Haarfarben anbetraf.
    Nicole hatte ihre Unbekümmertheit, ihre gelassene Heiterkeit zurückgewonnen. Offenbar war es ihr gelungen, die Erinnerung an die ersten Tage auf Château Montagne aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen. Zamorra wußte, daß Nicole diese Kraft besaß. Etwas, das sie nicht wahrhaben wollte, konnte sie mit einer mühsam zurechtgebastelten Erklärung beiseite schieben.
    Und so war es wohl auch in den meisten Fällen. Für Übersinnliches, Unbegreifliches ließ sich stets eine logische Begründung finden, wenn man nur genügend daran bastelte.
    Aber dennoch waren selbst in Nicoles kühlem Verstand leise Zweifel aufgekeimt, als sie mit ihrem Chef an das Schloß an der Loire gezogen war. Denn auch Nicole war in den Bann jener Mächte der Finsternis geraten, die hier seit Jahrhunderten geherrscht hatten.
    Professor Zamorra hatte das Rätsel gelöst, hatte Château Montagne von den Dämonen befreit, die seinen Onkel töteten. [1]
    Trotz aller Warnungen hatte Zamorra den Kampf gegen die Mächte der Finsternis aufgenommen, nachdem ihn sein Onkel Louis de Montagne zum Erbe von Château Montagne machte. Zamorra war es gelungen, das Geheimnis des silbernen Amuletts zu enthüllen.
    Mit Hilfe dieses Amuletts, das er in der Bibliothek des Schlosses fand, hatte Zamorra die Dämonen von Château Montagne besiegt und vernichtet. Doch dies bedeutete nur einen vorläufigen Sieg, nur einen winzigen Erfolg im Kampf gegen die Mächte der Finsternis, die überall gegenwärtig waren, ihren Tribut forderten und immer wieder Menschen ins Verderben zogen. Menschen, die ihnen hilflos ausgeliefert waren, weil sie nicht die Mittel kannten, um sich zu wehren.
    Professor Zamorra besaß dieses Mittel, jenes Amulett, das von Leonardo dem Schrecklichen stammte, der es vor fast neunhundert Jahren als Kreuzfahrer mitbrachte. Zamorra kannte nun die Kraft des Amuletts, und er wußte zugleich, daß dies eine Verpflichtung für ihn bedeutete, der er sich nicht entziehen konnte.
    Er hörte Nicoles gedämpfte Stimme, wie sie im Nebenzimmer telefonierte. Sie bestellte die Flugkarten, gab das Telegramm nach New York durch.
    Zamorra verließ seinen Platz am Schreibtisch. Sein Entschluß stand unumwunden fest. In Wales gab es einen ungeschriebenen Auftrag für ihn, dem er nicht ausweichen durfte.
    Er öffnete den Wandsafe und nahm die flache feuerfeste Kassette heraus. Wie der Safe besaß auch diese Kassette ein Kombinationsschloß, dessen Zahlenfolge nur Zamorra kannte.
    Als er den Deckel des schweren Behälters aufklappte, spürte er sofort die Kraftströmungen, die sein Inneres erreichten. Ein zauberhaftes Feuer ging von dem kostbaren Amulett aus, das auf dunklem Samt gebettet war.
    Es war aus ziseliertem Silber gefertigt. In der Mitte befand sich ein Drudenfuß, kreisförmig darum geordnet die zwölf Tierkreiszeichen. Den äußeren Ring bildete ein schmales Silberband mit Zeichen und Hieroglyphen, die Zamorra nicht entziffern konnte.
    Zamorra legte die dünne silberne Kette um den Hals und ließ das Amulett unter den Stoff seines Oberhemds gleiten. Innerhalb von wenigen Atemzügen nahm das kühle Metall die Wärme seines Körpers an und war
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