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0001 - Das Schloß der Dämonen

0001 - Das Schloß der Dämonen

Titel: 0001 - Das Schloß der Dämonen
Autoren: Susanne Wiemer
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starren Gesicht des Hünen. Ganz plötzlich, ohne jede Warnung, schossen seine Fäuste vor. Charles Vareck sah die Bewegung, er zuckte zurück, wollte ausweichen - doch da war es längst zu spät. Er hatte das Gefühl, als werde ihm eine glühende Eisenstange in den Magen gerammt. Ein ächzender Laut kam über seine Lippen.
    Verzweifelt rang er nach Luft, wollte schreien und schaffte es nicht. Wie ein Taschenmesser krümmte er sich zusammen, und ehe er ganz begriffen hatte, was ihm geschah, erwischte ihn ein zweiter, ebenso mörderischer Hieb an der rechten Schulter, riß ihn wieder hoch und warf ihn gegen den alten Wagen zurück. Er keuchte. Blutrote Schleier tanzten vor seinen Augen. Durch den wabernden Nebel sah er die Gestalt des Hünen, sah das breite ausdruckslose Gesicht und die wulstigen Lippen, die sich jetzt von den Zähnen zurückzogen.
    Das Grinsen wirkte grimassenhaft, ohne jeden Ausdruck. Mit vorgeschobenem Kopf und pendelnden Armen kam der Bursche wieder heran, kam näher wie eine Maschine, die alles niederwalzte, und Charles Vareck begriff, daß er in der nächsten Sekunde etwas unternehmen mußte, wenn er dem Verhängnis noch entgehen wollte. Schon riß sein Gegner die Faust hoch.
    Vareck straffte sich. Mit verzweifelter Kraft stieß er sich ab, wollte mit einem Sprung zur Seite schnellen - aber er war einfach nicht mehr schnell genug. Der Hüne reagierte ohne erkennbares Zögern. Wie eine angreifende Klapperschlange schoß sein Arm vor. Seine riesige Pranke schloß sich gleich einer Stahlklammer um den Oberarm seines Opfers.
    Vareck wurde zurückgerissen. Er brüllte vor Schmerz. Für Sekunden hatte er das Gefühl, sein Schultergelenk werde ausgekugelt, vor seinen Augen schienen bunte Luftballons zu zerplatzen, und mit einem kraftlosen Wimmern brach er in die Knie. Den Handkantenschlag, mit dem der taubstumme Hüne sein Genick traf, spürte er schon nicht mehr.
    Etwa fünf Minuten später kam er wieder zu sich.
    Der Schmerz weckte ihn, schien ihn einzuhüllen wie ein Mantel. Seine grauen Zellen kamen nur zögernd in Gang. Er registrierte, daß er auf dem Boden eines fahrenden Wagens lag. Undeutlich sah er das Totengesicht des Unbekannten, der ihn überfallen hatte, und im nächsten Moment spürte er bereits den feinen Stich, mit dem die Kanüle einer Injektionsspritze seine Haut durchdrang. Erneut griffen die schwarzen Wogen der Ohnmacht nach ihm, rissen ihn mit, schwemmten ihn über die Schwelle des Bewußtseins in eine Welt, in der es keine Angst gab, keinen Schrecken und keine Schmerzen…
    Diesmal dauerte die Bewußtlosigkeit länger. Minuten, Stunden, die ganze Nacht - Charles Vareck wußte später nicht mehr, wie lange er geschlafen hatte.
    Das Erwachen war wie das Emportauchen aus einem schwarzen, bodenlosen Schacht. Er atmete mühsam. Schmerzen spürte er nicht. Aber da war eine seltsame Leere in seinem Gehirn. Ein Nebel, der ihn daran hinderte, vernünftig zu überlegen, sich zu erinnern, einen klaren Gedanken zu fassen…
    » Vareck «, drang eine ferne, seltsam monotone Stimme in sein Bewußtsein.
    » Charles Vareck! «
    Er öffnete die Augen. Licht traf seine Pupillen. Tief in seinem Gehirn setzte ein dumpfer Schmerz ein. Er blinzelte heftig, und erst nach ein paar Sekunden konnte er etwas erkennen.
    Das Totengesicht!
    Das Gesicht war dicht vor ihm, eine Fratze wie aus einem Alptraum - aber seltsamerweise empfand Charles Vareck weder Furcht noch Panik, noch versuchte er auch nur, seine Lage zu durchschauen und zu verstehen, was geschehen war. Sein Blick hing an der kleinen funkelnden Glaskugel, die vor seinen Augen hin und her schwang. Sie war an einem dünnen Faden befestigt. Einem Faden, den der Mann mit dem Totengesicht in der Hand hielt. Er ließ die Kugel pendeln, langsam, schwingend, monoton; sie glitzerte und gleißte, und Charles Vareck fragte sich, woher das Licht kam, das sich in dem geschliffenen Glas brach.
    »Schau die Kugel an«, hörte er die ferne Stimme.
    »Schau sie an, Vareck! - Du siehst nichts anderes mehr. Nur die Kugel. Siehst du sie? Spürst du, wie sie schwingt? Hin… und her - hin… und…«
    Schweiß trat auf Varecks Stirn. Wie ein glühender Nagel schien sich das Licht in sein Gehirn zu bohren. Er keuchte, krampfte die Finger um die Sessellehne, und irgendwo tief in seinem Innern erwachte wie ein ferner Widerhall das Bewußtsein der Gefahr. »Nein!« stöhnte er.
    »Ich will nicht! Ich…«
    »Schau die Kugel an!«
    Die Stimme klang zwingend, schlug ihn in
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