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Autoren: Peter Pan
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haben. Man kann auch an Bestattungsunternehmer denken, von denen verhaltene Trauer erwartet wird, an Pfarrer, die je nach Anlaß Freude, Trauer, Trost, Besorgnis, Betroffenheit und mehr darzustellen haben, an Schauspieler, die jedes vom Regisseur geforderte Gefühl mimen müssen, und eben an Entertainer und Showmaster.
    Nach dieser Theorie ist es übrigens überhaupt nicht nötig, die vom Käufer gewünschten Gefühle tatsächlich auch zu empfinden. Entscheidend ist, ob der Gefühlsarbeiter die jeweils erforderlichen Gefühle glaubwürdig darstellen kann. Hochschild (1990) nennt dies Oberflächenhandeln. Die erstaunliche Tatsache, daß Menschen ihre Gefühle weitgehend unabhängig von ihren tatsächlichen inneren Befindlichkeiten äußerlich darstellen können, hat dazu geführt, daß sich im Laufe der Zeit sogenannte Darstellungsregeln entwickelt haben. In ihnen ist zusammengefaßt, was in einer bestimmten Gesellschaft zu einem bestimmten Anlaß als passende oder auch als unpassende Gefühlsdarstellung angesehen wird; Hochschild (1990) gliedert solche feeling rules nach der Richtung, der Dauer und der Intensität. Dabei definieren die Regeln der Richtung, welcher emotionale Ausdruck zu welcher Situation gehört; Regeln der Dauer legen fest, wie lange ein Emotionsausdruck zu zeigen ist, und Intensitätsregeln bestimmen die Stärke des emotionalen Ausdrucks.
    So gelten beispielsweise für das Annehmen von Geschenken in unserem Kulturkreis folgende Gefühlsregeln: Hinsichtlich der Regel der Richtung hat der Beschenkte Freude zu zeigen. Dies gilt auch dann, wenn ihm das Geschenk herzlich zuwider ist. Er darf sein wahres Gefühl allenfalls durch eine Bemerkung andeuten, wie »Ist mal was anderes«. Nach den Intensitätsregeln variiert die Stärke des Freude-Ausdrucks mit dem Wert des Geschenks für den Beschenkten. Dabei spielt auch der soziale Status des Schenkers eine Rolle: Kleine Geschenke von statushöheren Personen erfordern einen stärkeren Ausdruck von Freude als kleine Geschenke von statusgleichen oder gar statusniedrigeren Personen. Die Regel der Dauer besagt, daß der Ausdruck von Freude nach dem Auspacken und Bewundern des Geschenks langsam ausklingen darf, zumal die Pflicht zur Bewirtung des Gastes wieder neue Gefühlsdarstellungen erfordert. Beim Vorliegen von Regeldiskrepanzen mit den Erwartungen des Schenkers kann es durchaus zu entsprechenden Nachforderungen, besonders hinsichtlich der Intensität und Dauer der Gefühlsdarstellung kommen: »Gefällt's dir nicht?« wäre beispielsweise eine angemessene Formulierung für eine solche Nachforderung. Familienfeste sind eine unerschöpfliche Quelle für Dialoge dieser Art, bei denen es um derartige »feeling rules« und ihre Verletzungen geht.
    Bedauerlicherweise ergibt sich aber beim Oberflächenhandeln das Risiko, daß lediglich dargestellte Gefühle als falsche Gefühle erkannt werden können. Aus der Kommunikationspsychologie ist beispielsweise bekannt, daß Lügen u. a. mit häufigerem Lidschlag und häufigerem Räuspern, mit höherer Grundfrequenz der Stimme und mit mehr Sprechpausen und -fehlem einhergeht. Ein »falsches Lächeln« ist dadurch gekennzeichnet, daß nur die Mundwinkel angehoben und nicht – wie beim echten Lächeln – auch die Muskeln um die Augen zusammengezogen werden. Die falsche Freundlichkeit eines Verkäufers spürt der Käufer schnell und die erwünschten positiven Wirkungen schlagen ins Gegenteil um. Der Käufer der Ware Gefühl gewinnt den Eindruck, er erhielte keine gute, d. h. echte Ware für sein gutes, echtes Geld, und fühlt sich betrogen.
    Eine Möglichkeit, diese Unsicherheit zu minimieren, besteht darin, gute Lügner zu finden, deren Verstellung nicht so schnell erkannt wird. Es gibt sie, sie sind dominant und selbstbewußt, expressiv, haben wenig Furcht vor Entdeckung und haben schon öfter mit Erfolg gelogen. Der »geborene« Verkäufer, Vertreter oder Makler sind entsprechende Beispiele. Die meisten Menschen tun sich aber schwer damit, rein darstellendes emotionales Oberflächenhandeln auf Dauer überzeugend durchzuhalten.
    Da die Käufer aber »echte« Gefühle fordern, muß der Gefühlsarbeiter sich um sogenanntes inneres Tiefenhandeln (Hochschild, 1990) bemühen. Er muß sich also auch noch in den erwünschten Gefühlszustand hineinversetzen oder hineinversetzen lassen, damit seine Ware bzw. Dienstleistung »Gefühl« beim Käufer gut ankommt. Dabei helfen kleine Tricks: »Du stellst dir vor, daß der Fluggast
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