Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
verkörperten sie alles, was grausam, bösartig und falsch war. Sie hatte eine Hyäne getötet, die anderen verscheucht und das hilflose Fohlen gerettet, aber diesmal brachte ihr Handeln ihr keine Qualen, sondern Gesellschaft, die ihr die Einsamkeit erleichterte, und Beglückung über das einzigartige Verhältnis, das sich zwischen ihnen entwickelte.
Ayla liebte den jungen Wolf, wie sie ein intelligentes Kind geliebt hätte; aber ihre Gefühle für das Pferd waren anders. Winnie hatte ihre Einsamkeit geteilt; sie waren einander so nahe gekommen, wie das bei so verschiedenartigen Geschöpfen überhaupt möglich ist. Sie kannten einander, verstanden einander, vertrauten einander. Die falbe Stute war für sie mehr als eine hilfreiche Gefährtin oder sogar ein geliebtes Kind. Winnie war eine Freundin, mehrere Jahre lang das einzige Wesen, das ihr Gesellschaft leistete.
Doch als sich Ayla zum erstenmal auf ihren Rücken schwang und ritt wie der Wind, war das ein spontaner, sogar irrationaler Akt gewesen. Anfangs hatte sie gar nicht versucht, das Pferd zu lenken, aber sie waren so vertraut miteinander, daß das gegenseitige Verstehen von Ritt zu Ritt wuchs. Während Ayla darauf wartete, daß Jondalar fertig wurde, beobachtet sie Wolf, der verspielt auf ihrem Lagerfußling herumkaute, und wünschte sich, ihr würde etwas einfallen, womit sie ihm diese zerstörerische Gewohnheit austreiben konnte. Ihr Auge schweifte über die Vegetation der Landzunge, auf der sie übernachtet hatten. Das flache Land auf dieser Seite des Flusses, umrundet vom Steilufer an der anderen Seite der scharfen Biegung, wurde alljährlich überschwemmt und war deshalb mit einer furchtbaren Lehmerde bedeckt, auf der eine Vielzahl von Pflanzen, Sträuchern und sogar kleinen Bäumen wuchs; dahinter hatte sich üppiges Weideland gebildet. Ayla
war es zur zweiten Natur geworden, alles zu registrieren, was um sie herum wuchs, und es mit einem schon fast instinktmäßigen Wissen zu katalogisieren und einzuordnen.
Sie sah eine Bärentraube, einen heidekrautähnlichen, immergrünen Zwergstrauch mit ledrigen, dunkelgrünen Blätter und einer Fülle von kleinen, runden, rosa überhauchten weißen Blüten, die eine reiche Ernte an roten Beeren versprachen. Sie waren zwar sauer und sehr herb, schmeckten aber gut, wenn man sie mit anderen Essen zusammen kochte; doch Ayla wußte, daß sie nicht nur Nahrung boten, sondern auch gegen das Brennen halfen, das beim Wasserlassen auftreten konnte, zumal dann, wenn Blut das Wasser rötlich färbte.
Dicht daneben wuchs eine Meerrettichstaude mit kleinen weißen Blüten, die in Büscheln an Stengeln mit schmalen Blättern saßen, während weiter unten lange, zugespitzte, glänzend dunkelgrüne Blättern aus dem Boden herauswuchsen. Die Wurzel war dick und ziemlich lang, verströmte einen durchdringenden Geruch und schmeckte sehr scharf. In kleinen Mengen gab sie Heisch ein würziges Aroma, aber Ayla war mehr an ihrer medizinischen Verwendbarkeit interessiert sie wirkte förderlich auf den Magen und heilsam auf verletzte und geschwollene Gelenke. Sie überlegte, ob sie ein paar Wurzeln ausgraben sollte, und kam dann zu dem Schluß, daß sie jetzt keine Zeit dazu hatte.
Aber sie griff sofort nach dem Grabstock, als sie Antilopensalbei entdeckte. Seine Wurzel war einer der Bestandteile des besonderen Tees, den sie morgens trank, wenn sie während ihrer Mondzeit blutete. Zu anderen Zeiten benutzte sie andere Zutaten, insbesondere den Goldzwirn, der auf anderen Pflanzen wuchs und sie oft erstickte. Vor langer Zeit hatte Iza ihr von den magischen Pflanzen erzählt, die imstande waren, den Geist ihres Totems so stark zu machen, daß er den Geist des Totems jedes Mannes besiegte, und zu verhindern, daß in ihr ein Kind heranwuchs. Iza hatte ihr immer eingeschärft, es niemanden zu verraten, insbesondere keinem Mann.Ayla war nicht sicher, ob es die Geister waren, die Kinder hervorbrachten. Sie glaubte, daß ein Mann mehr damit zu tun hatte, aber die geheimen Pflanzen taten auf jeden Fall ihre Wirkung. Kein neues Leben war in ihr entstanden, seit sie ihre Kräuteraufgüsse trank, ob sie nun mit einem Mann zusammen war oder nicht. Nicht, daß sie etwas dagegen gehabt hätte, sobald sie sich irgendwo niedergelassen hatten. Aber Jondalar hatte ihr klargemacht, daß es ein großes Risiko wäre, wenn sie während der langen Reise, die vor ihnen lag, schwanger würde.
Als sie die Wurzel des Antilopensalbeis herauszog und die daran
Weitere Kostenlose Bücher