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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser
Autoren: E. L. Greiff
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Ausstrahlung vor allem daher rührte, dass sie dunkle Tücher um Kopf und Hals gewickelt hatten. Bei einem waren sogar Mund und Nase mit Tuch bedeckt und man konnte nur die schwarz glänzenden Augen sehen. Alle Männer waren mit kurzen Schwertern bewaffnet, die auf Babu keinen besonderen Eindruck machten. Aber er sah lange Bögen gegen einenFelsblock lehnen, die Sehnen ausgehängt und deshalb an verzierte Stöcke erinnernd. Wie lange hatte er schon keinen Bogen mehr in der Hand gehabt?
    Babu neigte zum Gruß leicht den Kopf und hielt seine Hände seitlich ausgestreckt, um zu zeigen, dass er nur sein Pferd am Zügel führte, aber keine Waffe trug.
    Einer der Männer trat ein paar schnelle Schritte vor und fragte: »Was willst du? Wer bist du? Bleib da stehen!«
    Natürlich verstand Babu den Mann, obwohl er ganz sicher nicht die Sprache der Merzer sprach. Viel erstaunlicher aber war, dass Babus Antwort prompt und ohne das leiseste Zögern aus ihm herauskam. »Ich bin ein Adept auf der Reise zu meinem Meister. Stellt Euch vor: Man hat mich ausgeraubt! Nur mein nacktes Leben ist mir geblieben   – und mein treuer Hund. Ihm habe ich zu danken, dass sie nicht auch noch meine Kleider und mein Pferd genommen haben. Ich bitte Euch, lasst mich an eurem Feuer sitzen.«
    So glatt, so überzeugend war Babu noch nie eine Lüge über die Lippen gekommen, und dazu auch noch in einer ihm völlig fremden Sprache. Er meinte, ein leises, sehr vergnügtes Kichern zu hören, und spürte einen Hauch an seinem Ohr.
    Der Mann warf einen Blick über seine Schulter; seine Kameraden zuckten die Achseln. Er winkte Babu und lud ihn ein, näher zu kommen   – eine Hand aber behielt er am Schwertgriff. In dieser Gegend hier schien man nur bedingt gastfreundlich zu sein.
    Babu setzte sich zu den vieren ans Feuer und nahm dankend den Becher mit einem goldbraunen Gebräu, das wie heißes, gewürztes Bier schmeckte   – scheußlich, aber wirksam wie Medizin. Schon nach wenigen Schlucken fühlte Babu sich erwärmt und entspannt. Schweigend reichte ihm einer der Männer eine hölzerne Schale mit gerösteten Fischchen, wahrscheinlich dieReste der Abendmahlzeit. Babu verschlang sie mit Kopf und Schwanz, ohne groß zu kauen, und glaubte in den schwarzen Augen der schweigsamen Männer eine gewisse Belustigung zu erkennen.
    »Wann seid Ihr beraubt worden?«, fragte schließlich einer.
    »Ah«, machte Babu, »das ist schon einige Tage her. Kurz hinter Gaspen war es wohl.«
    Was redete er denn da? Gaspen ? Davon hatte er noch nie gehört. Die Männer verstanden es aber offensichtlich, denn sie nickten.
    »Schwere Zeiten«, kommentierte der Wortführer. »Und seither ist Euch niemand begegnet?«
    Babu schüttelte den Kopf. »Nein, niemand.«
    Scheller als eine Echse von einem Stein huscht, hatte der Mann sein Schwert gezogen und es Babu an die Kehle gesetzt. Nun war Babu doch beeindruckt von der Waffe.
    »Wer bist du?«, fragte der Mann zwischen den Zähnen. »Du lügst. Denn wenn du wirklich aus Gaspen kämst, wärst du jemandem begegnet. Überall sind Posten. Und mein Bruder und seine Männer folgen uns von Gaspen, sind nur einen Tagesritt hinterher. Wir erwarten sie morgen.«
    »Ach ja, wirklich?«
    Seine Frechheit verwunderte Babu angesichts seiner Lage. Und was er dann tat, nicht minder: Mit der bloßen Hand griff er sich einen kurzen, glühenden Ast aus dem Feuer, entwand sich dabei der drohenden Klinge und rammte, halb im Liegen, dem überraschten Mann den Ast wie einen Dolch unters Kinn. Der schrie röchelnd auf; seine Kameraden versuchten, auf die Füße zu kommen und gleichzeitig ihre Schwerter zu ziehen. Davon aber hielt sie ein tiefes, bedrohliches Knurren ab. Der Wolf stand mit glimmenden Augen, die langen Zähne gebleckt, das schwarze Fell gesträubt, am Rande des Feuerscheins. Luk-sir ,dachte Babu, Wolfstöter . Ja, er war einer gewesen; als Knabe im Langen Tal, der ein Hirte sein wollte, dann in den schneebedeckten Galaten und später nochmals, als Helfer eines fremden Schwertkämpfers. Luk-sir konnte aber auch genauso gut tötender Wolf heißen. Babu grinste.
    »Gut so, Luksir, gut so; behalt sie im Auge. Und du: Steh auf.«
    Den vor Schmerzen wimmernden Mann immer noch auf den Ast gespießt, erhob Babu sich langsam. Er war größer, wobei der andere sehniger, kräftiger wirkte.
    »Ich sage dir: Ich bin tatsächlich ein Adept auf dem Weg zu meinem Meister und ihr seid tatsächlich die ersten Menschen, die mir seit einiger Zeit begegnen«,
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