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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Autoren: E Greiff
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sich um sie zu kümmern, einen Eid geschworen. Er hatte in die Asche seiner Heimat zurückkehren wollen; er hatte zu Estrid zurückkehren wollen. Ob ihm das gelingen würde, war ungewisser denn je. Der Kreis, den Felt gehen musste, um wieder zum Anfang zu kommen, war so groß geworden, dass es unmöglich schien, die Wegstrecke innerhalb einer Lebensspanne zu schaffen.
    »Wie lange wirst du fort sein? Ein Solder? Drei Soldern? Zehn? Sag es mir, Felt!«
    »Ich weiß es nicht.«
    Estrid hatte Goradt verlassen. Hatte ihre Heimat, hatte ihn verlassen. Und sie hatte richtig entschieden. Die Zeit, die nun kam, war keine Zeit des Wartens   – nur zu überleben, das war nicht mehr genug.
    »Wir müssen aufbrechen«, sagte Felt. »Unverzüglich.«
    Reva sah auf zur zentralen Schale des Brunnens.
    »Er weiß es. Er wusste es längst.« Sie schob sich die Kapuze aus der Stirn und blickte Babu und Felt an. »Dennoch werden wir Laszkalis überzeugen müssen, sonst wird er uns nicht gehen lassen. Unsere Welt ist nur eine von vielen, unsere Zeit ist nur ein Seufzer in der Ewigkeit, die Laszkalis atmet. Wenn wir bleiben, hier in Wiatraïn, wenn wir unsere Welt und unsere Zeit vergessen, dann können wir Anteil haben an dieserEwigkeit. Das ist sein Angebot: alles vergessen, sogar den Tod.«
    »Nein«, sagte Felt und blickte in die Leere über dem Brunnen. »Ich lehne ab. Ich weiß nicht, wie lange ich gebraucht habe, aber ich bin in die entgegengesetzte Richtung gegangen: Ich habe nicht
vergessen
, ich habe mich
erinnert
. Ich kann nicht hierbleiben. Ich
muss
zurück.«
    Reva lachte auf: »Welsische Sturheit! Durch nichts zu erschüttern   – nicht einmal durch die Aussicht auf ewiges Leben. Es ist gut, Felt, er wird uns gehen lassen. Dein Entschluss steht fest, ich sehe es, und Laszkalis sieht es auch. Es ist gut und ich bin froh über deine Entscheidung. Du musst wissen: Es liegt in der Natur der Sache, dass man zu gewissen Einsichten gelangt, wenn man aus der Quelle der Erkenntnis trinkt   – aber in welche Richtung man sich entscheidet, das kann niemand beeinflussen. Nicht einmal ich.«
    Der Becher in Felts Hand zitterte kaum merklich. »Die Quelle der Erkenntnis?«
    Reva lächelte nur. Felt hatte sie nicht nach der Bedeutung dieser Quelle gefragt. Es war nicht nötig gewesen. Bereits beim ersten Schluck Wasser hatte er gespürt, was die Quelle von Wiatraïn ihm geben konnte   – ohne dass er es hätte benennen können.
    »Es ist, wie ihr euch denken könnt, außerordentlich sinnvoll, nach Wiatraïn zu gehen und diese Quelle aufzusuchen, wenn man sich über bestimmte Dinge klar werden möchte.« Reva ging vor den Männern auf und ab, während sie weitersprach. »Der Weg hierher ist beschwerlich, aber ich glaube, es hat sich gelohnt   – für euch genauso wie für mich. Ihr habt euch beide gewandelt. Ihr habt vieles begriffen. Über euch selbst und darüber, was uns bevorsteht.«
    »
Werdet euch bewusst, wer ihr seid und was ihr tut
«, sagteBabu. Ja, das hatte Reva von ihnen gefordert, als sie über die Wolken gegangen waren und die unmögliche Stadt vor ihnen lag. Und genau das hatten sie getan   – sie hatten sich gewundert, so sehr, dass sie glaubten, den Verstand zu verlieren. Aber schließlich hatten sie begriffen. Felt wusste nun, wer er war und was er tun musste. Er war der, der als Letzter, der allein sterben würde   – und bis dahin musste er kämpfen.
    Felt wusste auch die Antwort auf seine nächste Frage, dennoch kam sie ihm nur zögerlich über die Lippen: »Diese Quelle hier ist aber nicht in Gefahr, oder?«
    »Nein«, sagte Reva. »Sie war es nie und wird es niemals sein. Diese Quelle ist ewig und sie ist recht   … abgelegen. Leider gilt das nicht für alle der Gam Orodae.«
    »Der was?«
    »Der Gam Orodae, der Großen Drei. Zwölf Wasser sollen fließen   … Aber drei Quellen sind von besonderer Bedeutung. Versiegt auch nur eine von ihnen, gibt es keine Rettung mehr.«
    Felt stellte den Becher ab und umfasste seine verkrüppelte Hand.
    »Zwei dieser Großen Drei habe ich nun gesehen, nicht wahr? Torviks Quelle, die Quelle der Hoffnung, und diese hier, die Quelle der Erkenntnis. Welches ist die dritte?«
    »Kannst du dir das nicht denken?«
    »Doch.« Felts Stimme war rau. »Es muss die Liebe sein.«
    »So ist es.« Revas Augen ruhten auf ihm. »Ohne Hoffnung ist alles tot. Ohne Erkenntnis sinken die Menschen ins Tierhafte zurück. Fehlt die Liebe, erstickt die Sinnlosigkeit jeden Lebenswillen.
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