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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen
Autoren: E Greiff
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erkennen können. Damit war es vorbei. Babu war hagerer geworden, was nicht nur am Fasten lag. Er war nun endgültig erwachsen. Felt blickte auf das Profil eines Mannes. Ein Schatten glitt darüber, der Falke kreiste. Ein Erinnerungsfetzen wirbelte durch Felts Gedanken:
Drei mal drei sollen gehen und dreimal eine begleiten, die Quellen aufzusuchen.
    Und so war es richtig, so sollte es sein, davon war er überzeugt.Das Schicksal hatte sie zusammengeführt   – ihn, Babu und Juhut. Nicht, damit sie Freunde wurden. Sondern Gefährten. Gefährten in einem Kampf, der so weit über das hinausragte, was Felt über das Kriegshandwerk gelernt hatte, dass er seine Größe bis vor Kurzem noch nicht hatte ermessen können: dem Kampf um die Menschlichkeit.
    Felt trank einen Schluck, reichte Babu den Becher, fragte: »Babu, wirst du mit uns kommen? Ich denke, es ist Zeit zurückzukehren.«
    Babu antwortete nicht gleich. Er strich mit den Fingerspitzen über sein Stirnband, als ob er die Antwort aus seinem Kopf kitzeln wollte. »Die Welt geht unter, nicht wahr? Ich habe es gesehen.« Er wandte sich Felt zu, die braunen Augen blickten ernst. »Ich habe die Welt in Rot und Schwarz untergehen sehen. Ich war hoch oben und unter mir stand der Kontinent in Flammen.«
    »Ja. Die Erde wird brennen und wir mit ihr. Ich weiß nicht, wie das zu verhindern ist. Aber ich will es herausfinden. Ich will es versuchen. Ich werde kämpfen. Um alles.«
    Nun, als er es aussprach, wurde Felt bewusst, dass auch er sich verändert hatte. Er war hier, in Wiatraïn, im Kreis gelaufen. Hatte seine Runde gemacht, genau wie zu Hause in Goradt. Er hatte über den Berst geschaut und gesehen, was er immer gesehen hatte: nichts. Aber während er gegangen war, während er seine innere Festung ausgebaut hatte, war er von seinem Zögern zum Wollen gewandert. Er fürchtete sich nicht mehr vor der Größe der Aufgabe. Er würde ihre Lösung mit der gleichen Sturheit verfolgen, mit der er sich bisher dagegen gewehrt hatte, dass es überhaupt eine Aufgabe für ihn gab. Er hatte sich vollkommen neu ausgerichtet   – und war dennoch derselbe geblieben. Er hatte sich selbst überrundet.
     
    Reva war stehen geblieben. Für einen Augenblick schien das Leben den Atem anzuhalten: Die beiden Männer saßen reglos auf dem Rand des Brunnens, die Unda war erstarrt. Dann stand Babu auf, hob die Faust, und der Luftzug des landenden Juhut schlug ihnen ins Gesicht. Felt sah in das goldene Auge des großen Vogels und spürte dessen Überlegenheit   – diese Kreatur war mächtig, war die denkbar wirkungsvollste Waffe im Kampf um die Menschlichkeit. Weil sie kein Mensch war. Die Szasla kannte keinen Verlust und keine Furcht, sie war immun gegen das Wirken des Dämons, zu dem Asing geworden war. Im Blick des Falken erkannte der Soldat Felt, dass es lohnte zu kämpfen, auch wenn der Sieg unwahrscheinlich war.
    Juhut drehte den Kopf. Reva war zu ihnen gekommen. Sie öffnete die Hand und hielt die kalte weiße Flamme.
    »Ich trage die Vergangenheit in mir. Ich bin das Gedächtnis des Kontinents. Wenn das Wasser schweigt, habe auch ich bald nichts mehr zu sagen.«
    »Ich erinnere mich gut an das, was ihr uns in der Grotte gesagt habt:
Hoffnung ist Anlass, nicht Kenntnis
.« Felt nahm den Becher und trank einen Schluck. »Hoffnung braucht kein Wissen, oder? Hoffnung ist nicht Vergangenheit, sondern Zukunft.«
    Revas Augen strahlten hell im Schatten der Kapuze. »Du hast recht. Und wenn du dich jemals gefragt haben solltest, warum die Undae nicht allein losgezogen sind, sondern die Begleitung von Welsen gesucht haben, dann hast du dir die Antwort gerade selbst gegeben. Niemand kann weniger weit in die Zukunft sehen als die Undae   – kein Volk auf dem Kontinent hat die Zukunft geduldiger erwartet als die Welsen. Ihr haltet die Hoffnung fest umklammert. Du tust es, Felt, auch wenn du dir dessen bisher nicht bewusst warst.«
    »Dann sollten wir gehen. Bevor ich wieder loslasse. Ich mag zwar groß reden, aber mein Griff war schon einmal fester.«
    Er lächelte. Die Hand unter den stramm gewickelten Lederbinden heilte gut, aber als Schwerthand war sie nicht mehr zu gebrauchen.
    »Ihr habt euch also entschlossen? Du auch, Babu?«
    »Ja.«
    Reva quittierte seine Zustimmung mit einem anmutigen Nicken. Eine Geste, die Felt an die Nacht in den Aschenlanden erinnerte, als er die Quelle aus dem toten Boden gegraben hatte. Damals hatte er das deutliche Gefühl gehabt, er habe mit seiner Zusage,
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