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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz
Autoren: Adalbert Seipolt
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wie eine Wüstenmaus, in Wirklichkeit legt ihm das bußfertige Weibervolk ganze Körbe mit Früchten und Leckerbissen zu Füßen.« Zebedäus füllte das Wort Weibervolk mit allem verfügbaren Hohn.
    »Dummes Gerede«, widersprach sein Sohn, »er verschenkt alles weiter, was er bekommt.«
    »Weil das Eindruck auf die frommen Seelen macht. Weil das seinen Ruhm als großer Asket vermehrt. Merkst du nicht, welche Schmierenkomödie da aufgeführt wird? Nur unreife Bürschlein fallen darauf herein. Doch eines sag ich dir: Nimm dich in acht! Wie man hört, hetzt dieser Täufer auch gegen die Staatsgewalt. Das fordert unweigerlich den Gegenschlag heraus. Und dann gilt: Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.«
    »Du siehst ja Gespenster, Vater.«
    »So so, Gespenster sehe ich, mein Jüngster nennt die Sorgen des Vaters Gespenster.« Zebedäus Stimme klang immer wütender.
    »Weil sie unsinnig sind.«
    »Unsinnig, das wird ja immer besser. Gleich wirst du mich als blöd bezeichnen.«
    Kurzes Schweigen, dann antwortete Johannes etwas weniger laut: »Nicht, wenn du mich wegläßt.«
    »Auf keinen Fall! Ich werde dich mit einem so fragwürdigen Subjekt herumvagabundieren lassen — nie, so wahr ich hier stehe!«
    »Der Andreas darf auch hin.«
    Zebedäus quittierte das mit einem kurzen, höhnischen Auflachen. »Der Andreas darf auch hin, so so! Der Andreas ist älter als du, und außerdem, wünsche ich nicht mit seinem Vater verglichen zu werden. Er ist alt und läßt sich auf der Nase herumtanzen. Ich, Zebedäus, mache mich nicht zum Gespött der Leute. Mir reicht die eine Nacht, die du außer Haus warst. In deinem Alter gehört man nachts ins eigene Bett, nicht ins Gebüsch am Jordan. Das Kapitel mit dem Täufer ist abgeschlossen, ein für allemal.«
    »Aber es geht ja gar nicht mehr um den Täufer«, eröffnete Johannes die nächste Runde des Gefechts.
    »Nicht mehr um den? Um wen dann? He, um wen es geht, will ich wissen.«
    Jetzt packt er ihn am Kragen, frohlockte die Schwiegermutter. Gleich haut er zu.
    »Um wen geht es?« wiederholte Zebedäus seine Frage noch drohender, weil Johannes mit der Antwort zögerte.
    »Um mich«, gestand er endlich.
    »Um dich?« klang es erstaunt, »ist das alles — oder darf dein Vater noch mehr erfahren? Naja, ich klopf es schon noch aus dir heraus. Wenn es um den Sohn geht, hat der Vater mitzureden. Und dein Vater befiehlt dir jetzt, keinen Schritt aus dem Haus ohne seine Erlaubnis zu tun — he, dageblieben!«
    Die Tür fiel krachend ins Schloß und übertönte den Wutschrei des Vaters. Der spannungsreiche Dialog zwischen den Generationen war zu Ende.

    *

    Simon wusch gerade die Netze aus, da sah er Johannes näherkommen. Sein zornrotes Gesicht verriet alles.
    »Ärger gehabt?« fragte Simon.
    Der Junge nickte nur.
    »Ich war kurz im Garten, da habe ich einiges mitgehört.«
    »Kein Wunder bei seinem Gebrüll.«
    »Und bei deinem Geschrei, Junge. Vielleicht wäre es doch besser, in Ruhe miteinander darüber zu sprechen.«
    »Wer mit wem?« fragte Johannes scharf. »Ich mit ihm? Unmöglich.«
    »Du mit mir. Das wird wohl möglich sein.«
    Johannes sagte nichts, widersprach auch nicht, als Simon vorschlug, das Boot loszuketten und ein Stück auf den See hinauszurudern. Wortlos stieg Johannes ins Boot, setzte sich an den Bug und starrte ins Wasser, während Simon mit einigen kräftigen Ruderschlägen das Boot außer Hörweite der neugierigen Fischerfrauen brachte.
    »Diese Nacht, Junge, haben wir überhaupt nichts gefangen«, sagte er. »Das muß am Südwind liegen. Ein paar kümmerliche Weißlinge, das war die ganze Beute. Deinem Vater erging es nicht besser; vermutlich war er deshalb so gereizt.«
    Johannes blieb stumm.
    Nach einer Weile versuchte es Simon von neuem. »Wohin wolltest du eigentlich vorhin? Zum Täufer am Jordan?« Johannes schüttelte den Kopf.
    »Nun sag endlich was und spiel nicht den geheimnisvollen Schweiger«, sagte Simon ungeduldig.
    »Hat dir Andreas nichts erzählt?« fragte Johannes.
    »Andreas kommt schon seit zwei Tagen nicht mehr nach Hause. Weiß der Kuckuck, wo der sich herumtreibt.« Johannes seufzte. »Da hast du die himmelschreiende Ungerechtigkeit, er darf zu ihm, ich nicht.«
    »Zu wem darf er und du nicht? Zum Täufer oder zu einem großen Unbekannten?«
    »Für dich ist er der große Unbekannte, für mich nicht mehr. Simon, glaube mir eins: Es geht nicht mehr um den Täufer. Den haben wir verlassen, Andreas und ich.«
    »Das wundert mich, ihr wart doch
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