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Zwischen sieben und zwölf Uhr

Titel: Zwischen sieben und zwölf Uhr
Autoren: Anne Katherine Green
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Ist sie eine Person, auf die man sich verlassen kann? forschte ich.
    Sein Blick wurde förmlich strahlend, und er nickte in einer Weise, die beinahe Hochachtung ausdrückte.
    Die beste Zeugin, die Sie finden konnten, bemerkte er.
    Die Antwort kam mir so unerwartet, daß ich schnell den Blick senkte.
    Sie wird also sprechen, wenn ich sie frage? sagte ich.
    Nun kam die Reihe an ihn, verblüfft dreinzuschauen.
    So haben Sie es noch nicht getan? fragte er.
    Ich habe noch keine Gelegenheit dazu gehabt, versetzte ich.
    Ach, rief er, ich sehe schon. Und mit einem Blick und einem Ausdruck, die sich schwer beschreiben lassen, fügte er bei: Frau Winchester hielt natürlich hinter dem Berge mit dem Mädchen. Ich hätte das erwarten können.
    Erstaunt über diese neue Wendung wagte ich es, den Gedanken auszusprechen, den eine so auffallende Einräumung nahelegte.
    Und warum sollte Frau Winchester irgendein Zeugnis zu unterdrücken wünschen, von dem sich annehmen läßt, daß es zur Entdeckung des Diebes führen werde, der sie so schwer geschädigt hat? – Der Schimmer von Befriedigung, der in den letzten Paar Augenblicken die Züge meines Gegenübers erhellt hatte, schwand zusehends.
    Ich sehe, bemerkte er, daß unsere Anschauungen in dieser Angelegenheit sich weniger in Übereinstimmung befinden, als ich vermutete. Doch, fuhr er herzlicher fort, Sie sind, wie Sie soeben sehr richtig bemerkt haben, erst seit wenigen Minuten im Hause und haben noch nicht hinreichend Gelegenheit gehabt,sich über die tatsächlichen Verhältnisse zu unterrichten. Ich will warten, bis Sie mit Philippa gesprochen haben. Soll ich sie hierher kommen lassen?
    Tun Sie das, drängte ich, sie wird wohl unten sein; doch vielleicht könnte sie sich auch noch oben befinden. Sodann teilte ich ihm mit, wie sie bei meiner Annäherung sich davongemacht und in Räumlichkeiten versteckt hatte, zu denen ich meinem Gefühl nach keinen Zutritt beanspruchen konnte.
    Er runzelte die Stirn und schritt eilig auf die Türe zu; auf halbem Weg hielt er jedoch inne, um noch eine Frage an mich zu richten.
    Ehe ich gehe, sagte er, möchte ich gerne fragen, welche Bemerkung meiner Frau Sie zu dem Schluß veranlaßte, daß der Diebstahl von irgend jemand im Hause verübt worden sei?
    Warten Sie! rief ich, Sie gehen zu rasch voran; ich sage nicht, der Diebstahl sei von einem Hausgenossen verübt worden, ich spreche nur von einem Helfershelfer.
    Der die Steine zum Fenster hinauswarf –
    Oder auch nur ein Zeichen gab, daß sie erreichbar und augenblicklich unbewacht seien.
    Er machte eine ungeduldige Handbewegung.
    Wir wollen keine Zeit verlieren, rief er. Ich möchte wissen, was Frau Winchester sagte.
    Sie sagte nichts, unterbrach ich ihn – denn ich war nicht minder in Eile als er, – das heißt, nichts außer dem notwendigen Bericht über die Tatsachen.
    Und diese waren?
    Daß die Juwelen offen in ihrem Etui auf dem Kaminsims lagen, daß Sie Ihre Frau Gemahlin von unten rufen ließen, worauf sie sich beeilte, Folge zu leisten; daß sie etwa fünf Minuten fort war und bei ihrer Rückkehr das Fenster offenstand und die Diamanten weg waren. Da das Fenster bei ihrem Weggange geschlossen gewesen war, so eilte sie natürlicherweise sofort an dasselbe und schaute hinaus, wobei sie gerade noch zwei Männer die Straße hinunterlaufen sah. Gewiß sind Ihnen diese Tatsachen ebenso wohl bekannt wie mir.
    Ich war nur neugierig, erwiderte er. Diese Tatsachen haben Sie also erfahren und aus ihnen allein haben Sie den vorhin ausgesprochenen Schluß gezogen?
    Nein, sagte ich; Philippa war auch zugegen.
    Aber diese sprach ja nichts.
    Freilich; aber sie brauchte auch nicht zu sprechen. Ich hörte ihr Herz schlagen, wenn ich mich so ausdrücken darf, und aus der Art, wie es schlug,schöpfte ich die Ueberzeugung, die ich Ihnen ausgesprochen habe.
    Herr Winchester spendete mir ein beifälliges Lächeln.
    Sie entsprechen völlig meinen Erwartungen, erklärte er dabei. Allerdings klopfte Philippa das Herz und zwar in höchst außergewöhnlicher Erregung. Philippa hatte den Mann gesehen, der Frau Winchester um ihre Diamanten erleichterte.
    Was! rief ich, und Sie –
    Er hörte meine Einwendung nicht bis zu Ende.
    Jawohl, fuhr er fort; denn während Frau Winchester hier war, ehe sie sich wieder nach oben begab, sah ich Philippa hinaufgehen. Sie hatte gerade Zeit, die Treppe zu ersteigen, bis der Mann, dessen Schritt ich bereits oben auf dem Gange vernommen, den Vorplatz erreicht hatte.
    Den
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