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Zwischen sieben und zwölf Uhr

Titel: Zwischen sieben und zwölf Uhr
Autoren: Anne Katherine Green
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des Abschieds verließ sie ihn und begab sich hinauf in ihr Zimmer.
    Ich hoffte, sie würden ihr folgen und ich mein Gefängnis verlassen können; aber sie hatten einander zu viel zu sagen, zu viel Erklärungen zu geben. Ich sollte noch einer vertraulichen Unterredung anwohnen.Philippa, welche, sobald sie allein waren, eine ganz andere Haltung angenommen hatte, als in Frau Winchesters Gegenwart, wartete, bis bei ihrem Gatten das erste Gefühl der Kränkung sich etwas gelegt hatte, dann wandte sie sich zu ihm und zog ihn, seine beiden Hände in die ihrigen nehmend, neben sich auf das Sofa.
    Lawrence, sagte sie mit einer nach dem eben vorübergegangenen leidenschaftlichen Auftritt unendlich gewinnenden weiblichen Sanftmut, glaubst du mir jemals vergeben zu können?
    Vergeben, dir, dem Idol meines Herzens! Was soll ich dir vergeben? Den Trost für meine Vergangenheit, die Hoffnung für meine Zukunft?
    Nein, nein, murmelte sie, daß ich dich geheiratet habe, daß ich –
    Philippa, rief er, während er ihr Gesicht sanft erhob und ihr lang und ernst in die Augen blickte, du bist mein Weib. Die heiligen Worte, die uns vereint haben, sind kaum erst verklungen. Laß uns jenen Augenblick, der nie wieder zurückkehren wird, nicht durch irgendeine Silbe des Zweifels an der Vernünftigkeit oder dem glücklichen Erfolg unseres Schrittes entweihen! Laß uns die Wonne genießen, einander alles in allem zu sein und den Kummer, den wir später vielleicht in der Erkenntnis findenmüssen, daß wir, um unser Glück zu begründen, anderen Enttäuschungen bereiten mußten, kommenden Stunden vorbehalten!
    Aber – aber –, stammelte sie, du verstehst nicht; ich meine, daß ich dich heute abend so in aller Eile geheiratet habe, entgegen allen meinen Erklärungen und allen Entschlüssen, die ich gefaßt hatte.
    Und du meinst, ich werde dich dafür tadeln? Mein Herz hat gehüpft vor Freude, als du mir aus dem Vorplatz ins Ohr flüstertest: »Ich bin bereit, Lawrence, bereit zu tun, um was du mich so oft und so dringend gebeten. Ich will heute abend vor den Altar mit dir treten, wenn es dir recht ist.«
    O! rief sie, und Schamröte übergoß ihre Züge, die mit jedem weiteren Augenblick liebreicher wurden, so daß ich mich schließlich wunderte, nicht auf den ersten Blick gesehen zu haben, daß sie schön war. In jedem deiner Worte liegt ja ein Vorwurf; du bringst mir damit zum Bewußtsein, daß niemand so viel Treue und Liebe weniger verdient, als Philippa Irwin.
    Philippa Sutton, Herzchen, verbesserte er lächelnd.
    Diese Worte schienen sie betroffen zu machen. Sie schaute ihn einen Augenblick lang sehr ernst an.Ja, stimmte sie bei. Was von Philippa Irwin vernünftig war, mag von Philippa Sutton nicht vernünftig sein. Aber Aufrichtigkeit ist stets vernünftig, und ich kann unser Zusammenleben nicht beginnen mit dem Schatten einer Falschheit im Herzen. Auf die Gefahr hin, deine Liebe zu verlieren, dich auf Nimmerwiederkehr von mir wenden zu sehen, muß ich frei und offen aus Herzensgrunde mit dir reden. Lawrence, ich würde dich heute abend nicht geheiratet haben – wäre das Verschwinden dieser Diamanten nicht daran schuld gewesen.
    Philippa!
    Ich weiß, ich weiß, ich hätte dir trauen sollen. Ich hätte sehen und fühlen sollen, daß du einer so niedrigen, schlechten Handlungsweise, wie mein Verdacht sie mir vorspiegelte, nicht fähig seiest. Aber, wie ich hinaufkam, während deine Mutter sich unten befand, hatte ich gesehen, wie du auf den Zehenspitzen in ihr Zimmer tratest und schon im nächsten Augenblick ebenso vorsichtig wieder herauskamst und dabei etwas Glänzendes in der Brust verbargst. Dies hatte ich gesehen, und wenn ich auch im Augenblick nichts dabei dachte: als ich sie aus dem hinteren Zimmer, in das ich getreten war, zurückkommen und an den Kaminrand treten sah, wo sie einen Augenblick stillstand und ihren Schmuckkasten betrachtete, umdann ans Fenster zu eilen und es aufzureißen, dann wieder auf den Vorplatz herauszustürzen mit dem Ruf, ein Dieb müsse von der Straße eingestiegen sein und sie mit fortgenommen haben, da geriet ich in Furcht und Zittern. Denn – das ist meine einzige Entschuldigung, Lawrence, ich konnte mir nicht träumen lassen, daß sie diesen Augenblick, wo sie sich am Kamin aufhielt, sich zunutze gemacht hatte, um den Schmuck aus dem Kasten zu nehmen und an ihrem Busen zu verstecken. Dies würde die Kenntnis von Tatsachen und Beweggründen vorausgesetzt haben, die mir notwendig fremd sein mußten.
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