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Zwischen sieben und zwölf Uhr

Titel: Zwischen sieben und zwölf Uhr
Autoren: Anne Katherine Green
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angesichts des Tadels der ganzen Welt zu stützen, das alles galt dir nichts. Da mußte erst so ein Zierpüppchen kommen und dir zulächeln, eine Kammerzofe, eine –
    Mutter, unterbrach sie der Sohn diesmal in strengem Tone, Philippa ist eine Dame und ist außerdem meine Frau, nimmt also dieselbe gesellschaftliche Stellung ein wie du. Wir wollen nicht bitter, sondern dankbar sein. Für mich ist mit ihr ein Engel in mein Leben getreten. Klug war das nicht; aber wann wäre die Liebe jemals klug gewesen?
    Frau Winchesters Züge verhärteten sich, und sie stieß ein verächtliches Lachen aus.
    Ein Engel, der meinen Sturz verursacht hat, sagte sie. Wie kannst du glauben, daß hinfort zwischen mir und meinem Gatten noch irgendein Vertrauen herrschen könne, nachdem er entdeckt hat, daß ich ihn hintergangen habe, hintergangen aus Liebe zu dir?
    Für mich?
    Ja; du kannst mit meinem Herzen spielen, meinen Stolz für nichts achten, vor meinen Augen meine Kammerzofe heiraten, ohne dir Rechenschaft darüber zu geben, ob du dir alles dies herausnehmen konntest, ohne dich zu fragen, welchen Preis deine Mutter für deine Laster bezahlt hat, die du nicht einmal imstande warst, zum Danke für ihre Nachsicht zu bereuen und zu unterlassen.
    Mutter, was meinst du damit? Ich verstehe dich gar nicht. Was für einen Preis hast du für meine Laster bezahlt?
    Sie lächelte ironisch.
    Es ist an der Zeit, daß du dafür einige Neugier an den Tag legst.
    Dann fuhr sie mit einem Seitenblick auf ihren Gatten voll Bitterkeit und Verzweiflung fort:
    Hast du dich jemals gefragt, woher das Geldkam, mit dem ich vor zwei Jahren deine Schulden in Paris bezahlt habe?
    Nein – das heißt, ich setzte natürlich voraus, es komme aus deiner eigenen Tasche. Herr Winchester ist ein reicher Mann –
    Und ich, seine Frau, muß deshalb eine reiche Frau sein! Nun ja, mag sein; aber selbst reiche Frauen haben nicht immer hunderttausend Franken zur Verfügung, und das war die Summe, die ich dir gab. Woher meinst du, daß ich sie bekam? Von ihm nicht, das zeigt sein Gesicht nur zu deutlich.
    Woher denn, Mutter – woher denn? sag' es mir, denn ich –
    Bei diesen Worten trat Herr Winchester einen Schritt vorwärts und mit leichenblassem Gesicht sagte er:
    Sie soll nun auf meine Fragen antworten. Du hast deinem Sohn, diesem nichtswürdigen Menschen, vor zwei Jahren hunderttausend Franken gegeben?
    Sie neigte das Haupt und zitterte dabei vor Aufregung.
    Es war eine große Summe, fuhr er fort, eine große Summe! Es wundert mich nicht, daß duAnstand nahmst, mich darum zu bitten. Er hätte sie niemals bekommen, niemals. Ich staune, daß du einen Freund gefunden hast, der Lust hatte, so viel Geld zum Fenster hinauszuwerfen.
    Es war ein Freund, murmelte sie. O, William, fuhr sie fort und ihre Stimme klang fast bittend, wir haben niemals Kinder gehabt, du weißt nicht, was es heißt, einen Sohn zu lieben. Ihn in Gefahr, in Schande oder Not zu sehen, ohne sich zu bemühen, ihm zu helfen, ist unmöglich. Du mußt einem Mutterherzen etwas zugute halten.
    Aber dieses Geld – diese Tausende – wo, wo kamen sie her?
    Sie errötete und ließ das Haupt sinken; aber bald hob sie es wieder in ihrem gewohnten Stolze und fragte nun ihrerseits: Herr Winchester, warum ließt du mich rufen, während ich mich für die Gesellschaft ankleidete, um mich zu fragen, ob ich meine Diamanten anzulegen gedenke – es würde dir Vergnügen machen; warum bemerktest du ferner, du möchtest sie anonym einem Händler zeigen?
    Warum? Nun, weil – jetzt kam die Reihe an ihn, rot zu werden – ich sie eben gerne einem Händler zeigen möchte.
    Und was hat ein Händler mit meinen Diamanten zu tun?
    Nichts. Eine Grille von mir. Ich wollte mir einmal sagen lassen, was sie wert sind.
    Weißt du es denn nicht?
    Sie sprach ganz leise, und ihre Blicke brannten auf seinem Gesicht.
    Nur annähernd – nur annähernd.
    Sie ließ den Blick sinken, den sie auf ihn geheftet hatte, und trat einen Schritt näher, ohne sofort zu sprechen.
    Was ist das? rief er. Warum zögerst du, aus meine Fragen zu antworten?
    William, sagte sie, wäre es nicht richtiger, zu fragen, warum ich, eine ehrbare Frau, zu dem Auskunftsmittel gegriffen habe, meine eigenen Juwelen zu stehlen, um sie nicht in dritte Hand kommen zu lassen?
    Vielleicht, murmelte er; doch will ich darauf nicht eingehen. Kein Weib trennt sich gerne von einem solchen Schmuck, sei es auch nur für wenige Tage.
    Sie lachte.
    Aber eine Frau versteigt sich nicht zu
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