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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut
Autoren: authors_sort
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alles?
    Doch noch bevor sie sich rühren konnte, war er wieder zurück und reichte ihr das Handy. »Ich hab schon den Notruf gewählt«, sagte er. Sie wollte die Hand ausstrecken, doch es gelang ihr nicht. Ihre Finger waren völlig taub und ließen sich ebenso wenig bewegen wie ihr Arm.
    Sie musste um Himmels willen hier wegkommen … Die ganze Sache war absolut faul.
    Er legte das Handy dicht neben ihr Gesicht auf die Patchworkdecke, die ihre Großmutter für sie genäht hatte, als sie zehn gewesen war …
    Shelly blickte zu ihm auf und sah wieder sein Grinsen, doch diesmal war sie sich sicher, dass keine Fröhlichkeit darin lag, nur kalte, tödliche Zufriedenheit. Sein zuvor so attraktives Gesicht hatte dämonische Züge angenommen.
    »Was hast du getan?«, wollte sie fragen, doch die Worte kamen nur undeutlich aus ihrem Mund.
    »Träum was Schönes.« Er wandte sich zum Gehen. In der Schlafzimmertür blieb er stehen, und sie spürte ein Frösteln, eisig wie der Tod.
    »Hier ist die Neun-eins-eins«, meldete sich eine Beamtin. »Bitte nennen Sie uns Ihren Namen und was für einen Notfall –«
    »Hilfe!«, stieß Shelly verzweifelt hervor. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern; ihre Lippen wollten sich nicht bewegen, ihre Zunge war dick geschwollen und gehorchte nicht.
    »Entschuldigung?«
    »Ich brauche Hilfe«, versuchte sie es erneut, lauter jetzt, doch ihre Worte klangen unverständlich, sogar in ihren eigenen Ohren.
    »Es tut mir leid. Ich kann Sie nicht hören. Bitte sprechen Sie lauter. Was für einen Notfall möchten Sie melden?«
    »Helfen Sie mir, bitte! Schicken Sie jemanden her!«, versuchte Shelly voller Panik zu rufen, doch der Raum verschwamm vor ihren Augen, kein Laut drang über ihre Lippen. Es gelang ihr noch, den Arm in Richtung Handy zu schieben, doch es rutschte vom Bett auf den Fußboden.
    Ihr Kopf fiel zur Seite, ihr Blick auf die Tür. Dort stand er und starrte sie an. Das »mörderische« Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden und hatte einem mordlüsternen Ausdruck Platz gemacht; in seinen Augen lag purer, unverstellter Hass.
    Warum? Warum ich?
    Seine Augen, die sie noch vor wenigen Stunden für so anziehend gehalten hatte, glitzerten böse.
    In diesem Moment wusste sie, dass ihre Begegnung in der Bar geplant gewesen war. Ihr Tod war kein Zufall; aus irgendeinem unerklärlichen Grund hatte er es auf sie abgesehen.
    Lieber Gott, bitte hilf mir,
flehte sie. Sie würde sterben müssen, das wurde ihr jetzt schlagartig klar. Eine Träne rollte aus ihrem Augenwinkel. Im Türrahmen lehnte der mysteriöse Fremde und verfolgte mit seinem verstörenden Grinsen, wie sie einen mühsamen, flachen Atemzug tat.
    Aus dem Handy auf dem Fußboden quäkte die Stimme der Vermittlungsbeamtin, doch sie schien Millionen von Meilen entfernt zu sein. Shelly beobachtete, wie er zu ihr trat und ein Tablettenröhrchen auf ihren Nachttisch stellte. Dann blickte er ihr fest in die Augen, teilte ihr ruhig mit, dass er sie umbringen würde, und fing an, sie bedächtig und voller Methode zu entkleiden …

[home]
    Kapitel 1
    E ine Tasse Kaffee und einen Schoko-Macadamianuss-Cookie von Joltz, dem nahe gelegenen Coffeeshop, in einer Hand, in der anderen ihre Laptop-Tasche, eilte Dr. Acacia »Kacey« Lambert den Gehsteig entlang. Obwohl schon der Morgen heraufzog, waren die Straßenlaternen noch an; die Weihnachtsbeleuchtung strahlte hell, die Lichter tanzten im eisigen Novemberwind, der durch die Kleinstadt Grizzly Falls pfiff.
    Der Winter war früh und mit gewaltigen Stürmen hereingebrochen, die Schnee und Eis und damit jede Menge Stromausfälle und Verkehrsprobleme mit sich brachten.
    Genau wie letztes Jahr, dachte sie. So viel zum Thema globale Erwärmung.
    Ein beständiger Strom von Pendlern schob sich um diese Tageszeit über die Landstraßen zum Highway – Rushhour. Fußgänger in dicken Jacken, Schals, Wollmützen und festen Stiefeln marschierten entschlossen voran, weiße Atemwölkchen vor dem Mund, die Wangen vor Kälte gerötet.
    Die Winter hier waren hart, viel kälter als in Seattle, aber Kacey liebte diesen Teil des Landes und bedauerte nicht eine Sekunde, dass sie wieder in die kleine Stadt gezogen war, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte.
    An der Poliklinik angekommen, die im unteren Teil des Städtchens ganz in der Nähe des Gerichtsgebäudes lag, nicht weit von dem Fluss entfernt, dessen spektakuläre Wasserfälle Grizzly Falls zu seinem Namen verholfen hatten, jonglierte sie mit
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