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Zwillingsbrut

Zwillingsbrut

Titel: Zwillingsbrut
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klappte sie die Tür zu, ließ sich auf den Fußboden gleiten, streckte die Beine von sich und atmete tief ein und aus.
    Wie war ihr übel!
    Vielleicht sollte sie ihren Arzt anrufen oder ihm zumindest eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Langsam rappelte sie sich hoch und fragte sich wieder, wo um alles in der Welt Lana, ihre Katze, stecken mochte.
    Nun, auf alle Fälle nicht auf dem Küchentresen, auf dessen verkratzter Arbeitsfläche sich seit drei Tagen benutzte Kaffeetassen, schmutzige Gläser und die Packungen von kalorienreduzierten Fertigmahlzeiten stapelten.
    Ihr Magen schmerzte immer mehr. Shelly schleppte sich zum Badezimmer und sprach sich Mut zu. Sie würde sich von dieser Stadt nicht unterkriegen lassen.
    Hatte sie etwa nicht unter Bulimie gelitten? Hatte sie etwa nicht alles für ihre Karriere getan? Und obwohl sie keine klassische Schönheit war, so hatte man ihr doch gesagt, ihr Gesicht zeige »Charakter« und »Intelligenz«. Ihr kastanienbraunes Haar leuchtete nach wie vor, und die Haut um ihre grünen Augen und die vollen Lippen wiesen noch nicht allzu viele verräterische Falten auf.
    Sie quetschte sich in das winzige Badezimmer. Ein Blick in den Spiegel über dem Waschbecken ließ sie zusammenzucken. Aller Schönrederei zum Trotz fingen die Jahre an, ihre Spuren zu hinterlassen. Zwar benutzte sie tonnenweise Produkte, die ihren Teint makellos halten sollten, doch zu Botox hatte sie bislang nicht gegriffen. Noch nicht. Sie wollte da nichts ausschließen, wollte gar nichts ausschließen, was die Zeit ein wenig zurückdrehen konnte.
    Doch die Zeit war ein unerbittliches Übel, dachte sie und hob ihre Kinnkonturen an, um zu sehen, ob sie wirklich gestrafft werden mussten.
    Noch nicht, Gott sei Dank. Ihr fehlte das Geld für diese Art von »Schönheitstuning«, und sie hatte auch nicht vor, irgendein künstlich aufgebauschtes Enthüllungsbuch auf den Markt zu bringen, wie ihre Agentin vorgeschlagen hatte. Sie war noch keine fünfunddreißig – bis zu ihrem Geburtstag blieben ihr noch ein paar Tage –, was sollte sie bei einem solchen Seelenstriptease schreiben? Verglichen mit anderen Frauen ihres Alters war ihr Leben bisher ziemlich langweilig verlaufen.
    Das Weiße in ihren Augen wirkte ein wenig blutunterlaufen. Shelly nahm die Kontaktlinsen heraus und holte das Fläschchen mit Augentropfen aus dem Medizinschrank. Mit zurückgelegtem Kopf hielt sie die Pipette nacheinander über beide Augen und blinzelte, um die Tropfen besser zu verteilen. Dann stellte sie das Fläschchen in den Schrank zurück. Als sie die Spiegeltür schloss, bemerkte sie aus dem Augenwinkel einen Schatten hinter sich.
    Was war das?
    Mit hämmerndem Herzen fuhr sie herum. Das winzige Badezimmer war leer, die Tür stand offen.
    Ihre Haut kribbelte.
    »Lana? Bist du es?«, rief sie und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Ohne ihre Kontaktlinsen und wegen der Augentropfen, die noch immer einen trüben Film bildeten, nahm sie die Zimmerecken nur verschwommen wahr. »Kätzchen?« Wo hatte sich diese Glückskatze versteckt, die sie nach ihrer Lieblingsfilmikone Lana Turner benannt hatte? »Komm raus, zeig dich, wo immer du dich versteckt hast«, säuselte sie, doch zweifelsohne lauerte die Katze wieder irgendwo an einem dunklen Fleckchen. Mehr als einmal war Lana hinter den gerahmten Fotos auf dem Bücherregal hervorgeschossen, hatte sämtliche Bilder umgeworfen, dabei die Gläser zerschmettert und sich zu doppelter Größe aufgeplustert, um Shelly zu Tode zu erschrecken. Das war ohnehin Lanas Lieblingszeitvertreib. »Hierher, Kätzchen, Kätzchen …«
    Doch wie bei ihrem unabhängigen Naturell nicht anders zu erwarten, tauchte die Katze nicht auf.
    Barfuß stand Shelly im Wohnzimmer. Irgendetwas sagte ihr, dass die Katze nicht da war. Obwohl das keinen Sinn machte.
    Als sie die Wohnung verlassen hatte, hatte Lana dösend auf der Rückenlehne der Couch gelegen und halbherzig mit dem Schwanz gezuckt.
    Warum also fühlten sich die Räume so leer an? Draußen trieb der Wind trockene Blätter über die Veranda, ein gespenstischer Tanz aus braunen und rostroten Farbtupfern.
    Du lieber Himmel, was stimmte bloß nicht mit ihr? Daran war doch nichts Unheimliches! Trotzdem stellten sich ihr die Härchen auf den Armen auf.
    »Hör endlich auf damit!«, befahl sie sich noch einmal, als sie von einem weiteren Krampf überwältigt wurde. »Auuu!« Der Schmerz war diesmal noch heftiger. Sie wartete nicht länger, kroch zu ihrer
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