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Zwilling verzweifelt gesucht

Zwilling verzweifelt gesucht

Titel: Zwilling verzweifelt gesucht
Autoren: Bettina Obrecht
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meine Richtung
    „ Wo ist sie denn verloren gegangen? Deine Schwester, meine ich. Wann hast du sie zuletzt gesehen? “
    Ich starre auf das halbierte Kuchenstück. Apfelstreusel. Er sieht sehr lecker aus. Ich glaube, ich muss ihn gleich probieren. Aber vorher muss ich Mara die ganze Sache wohl erklären – dass niemand von meiner Schwester redet, dass es ein einziges Babybild von mir/uns gibt, aber alle behaupten, ich hätte gar keine.
    Mara sticht noch ein großes Stück ab, betrachtet es aber, bevor sie es in den Mund steckt.
    „ Vielleicht hast du ja wirklich keine “ , sagt sie. „ Es kann ja sein. Ich meine, die meisten Menschen haben keinen Zwilling. “

    Und komisch – in dem Moment, in dem sie das ausspricht, kommt mir die ganze Geschichte plötzlich vollkommen lächerlich vor.
    Was fällt Mara ein?
    „ Und die anderen Babyfotos? “ , frage ich wütend. „ Es ist doch komisch, dass es keine weiteren Fotos von mir gibt. “
    Mara nickt. „ Schon. “
    Ich greife nach der Kuchenhälfte und beiße einfach ab. Während ich kaue, muss ich nicht sprechen. Aber Mara wechselt von sich aus das Thema.
    „ Warum bist du überhaupt hier? “
    „ Mein Vater ist vom Dach gefallen “ , murmle ich.
    Mara kriegt große, erschrockene Augen. „ Was? “
    „ Ist nicht so schlimm. Er hat sich nur den Arm gebrochen und sein Handy ist kaputt. “
    „ Ist er denn Dachdecker? “
    „ Nein, Erfinder. “
    In diesem Moment tauchen wie aufs Stichwort meine Eltern in der Cafeteria auf. Sie sehen sich suchend um, steuern dann auf unseren Tisch zu. Papas eingegipster Arm ruht in einer Schlinge um seinen Hals, aber er sieht trotzdem ganz fröhlich aus.
    „ Na, du hast ja Gesellschaft “ , stellt er fest. Ich stelle Mara und Stian vor. Hoffentlich erwähnt Mara jetzt meine Zwillingsschwester nicht … Aber Mara starrt meinen Vater fasziniert an. Wahrscheinlich hat sie noch nie einen Erfinder gesehen und erwartet, dass er jetzt eine Denkkappe aufsetzt wie Daniel Düsentrieb und diesen Typen mit der Glühbirne als Kopf, das Helferlein, aus seiner Hemdtasche klettern lässt.
    „ Können wir gehen? “ , fragt Mama. Sie wirkt ungeduldig, wahrscheinlich plagen sie Horrorvorstellungen von dem, was während ihrer Abwesenheit zu Hause passiert.
    Ich nicke, stehe auf und nehme meine leere Coladose.
    „ Stell sie auf mein Tablett “ , sagt Mara. „ Ich bringe dann alles zusammen weg. “
    „ Okay. “ Ich zögere einen Moment. „ Tschüs dann. “
    „ Tschüüüüüüs! “ , schreit Stian laut.
    Meine Eltern müssen lachen. Aber Mara lacht nicht. Sie sieht auf die Tischplatte, als würde sie die Kuchenkrümel zählen.
    „ Tschüs “ , sagt sie schließlich leise, fast unhörbar.
    Papa eilt uns mit großen Schritten voraus, als wolle er das Krankenhaus schleunigst verlassen, bevor ihm Schlimmeres zustoßen kann.
    Schon im Auto klingelt mein Handy. Es ist Alisia. Aber ich gehe nicht dran. Ich muss in Ruhe mit meiner Freundin reden, ohne Zuhörer. Ich weiß nicht, wie Mara es geschafft hat, dass ich unsere Suchaktion nach meiner Schwester von einem Moment auf den anderen so albern finde. Eigentlich ist Alisia schuld. Alisia wollte von Anfang an Detektiv spielen. Sie hat mir eingeredet, dass ich eine Zwillingsschwester habe, so ist das nämlich.
    Zu Hause sind wir erst einmal eine Stunde lang damit beschäftigt, alles aufzuräumen, was Jana und Jule, Robin und Rasmus, Finn und Fabian im Haus verstreut haben. Zweimal klingelt mein Handy, aber beide Male habe ich keine Zeit dranzugehen. Erst als Mama mit zwei vollen Kaffeetassen in den Händen in Richtung Garten wankt, ziehe auch ich mich zurück.
    „ Ich muss dich sprechen “ , verkündet Alisia mit Grabesstimme, anstatt sich mit ihrem Namen zu melden.
    „ Ja? “ Ich lasse mich auf mein Bett sinken. Alisia klingt so ernst.
    „ Du hast gar keine Zwillingsschwester “ , sagt Alisia sehr betont und langsam. Sie macht eine kleine Pause. „ Verstehst du? S2? Es gibt sie nicht. Leider. “
    Ich atme auf. „ Ja “ , stimme ich zu. „ Ich wollte dir auch … “
    „ Mir ist jetzt alles klar. Blöde Sache. “ Alisia macht eine kurze Pause, aber als ich wieder etwas sagen will, fällt sie mir ins Wort. „ Willst du es hören? “
    „ Okay. “
    Alisia holt tief Luft. „ Also “ , fängt sie an. „ Es gibt nur eine Erklärung. Nämlich … na ja. Nämlich die, dass deine Eltern gar nicht deine Eltern sind. “
    „ Was? “ Ich springe vom Bett.
    „ Na ja … wenn doch
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