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Zweimal Hölle und zurück (German Edition)

Zweimal Hölle und zurück (German Edition)

Titel: Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
Autoren: Mary Janice Davidson
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Schlaf zu bekommen. Er hat sich freiwillig für eine Doppelschicht gemeldet.«
    »Vielleicht sollte ich …« Ich stand auf und nahm ein sauberes Glas aus dem Abtropfgitter. Ich hielt es Jessica hin, und sie füllte es vorsichtig mit unserer neuesten Geschmackskreation: Blaubeere, Banane und noch eine Extraportion Blaubeere. Sinclair war so vernarrt in Erdbeer-Smoothies, dass wir froh waren, ein wenig Abwechslung zu haben. »Ich bringe Marc ein Glas. Wenn er schläft, kann ich es ja einfach in den Kühlschrank stellen.«
    »Sag ihm, er kann die Mystery Machine fürs Wochenende haben. Er hat nämlich jemanden kennengelernt«, sagte Jessica zu den anderen. »Will für ein paar Tage zum Lake Superior.«
    »Schön für ihn«, sagte ich erfreut. Denn Marcs Sozialleben war ein Desaster. Ich freute mich, dass er jemanden gefunden hatte. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Wieso hatte er nicht schon längst einen tollen Typen kennengelernt und sich hinter einem weißen Gartenzaun niedergelassen, um Beagles zu züchten und sich mit sämtlichen Gerichten wegen der Zulassung der Schwulenehe anzulegen? Die neueste Entwicklung klang doch verdächtig nach »Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage«.
    Und Marc verdiente ein solches Glück mehr als die meisten. Ich hatte stets nachvollziehen können, warum er Arzt geworden war, denn bei ihm konnte man sich wirklich kaum etwas anderes vorstellen. Es ist ein Klischee, aber Marc war nun einmal ein Mensch, der es liebte zu geben. Nie war er glücklicher, als wenn er eine kritische Situation (hysterische Mitbewohner, die Ärger mit ihrem Liebsten haben, hysterische Viertklässlerin mit einer Platzwunde, hysterische Vampirkönigin in einem Zeitstrom ohne Christian Louboutin) durch seine liebevolle Präsenz mildern konnte.
    Ich brauchte nicht lange, um zu Marcs Zimmer zu gelangen. Er wohnte eine Etage über mir und Sinclair, in einem Teil der Villa, den wir kaum nutzten. Er hatte sich der Aussicht wegen das kleinste Zimmer von allen ausgesucht, das im Herbst, wenn die Bäume ihr Laub abgeworfen hatten, beste Sicht auf den Mississippi bot.
    Ich klopfte an seine Tür. Dahinter war kein ohrenbetäubendes Eurythmics-Gedudel zu vernehmen, also war er vermutlich wach.
    Marc pflegte zu sagen, dass er am besten zu Annie Lennox’ rauer Stimme einschlafen könne. Es gibt eben solche und solche, wie meine Mutter sich immer gern ausdrückt.
    »Marc?« Ich klopfte lauter. »Ich habe einen Smoothie und den neuesten Klatsch im Gepäck.«
    Nichts.
    Überhaupt nichts.
    Das war der Moment, in dem mir beklommen zumute wurde. Das hatte nicht einen, sondern viele Gründe: dass Marc wer weiß wie viele Stunden allein mit der Marc-Kreatur verbracht hatte. Dass er gar nicht erst in die Küche gekommen war, sondern sich sofort auf sein Zimmer verzogen hatte. Dass keine Musik zu hören war … aber trotzdem niemand öffnete, als geklopft wurde. Jede dieser Verhaltensweisen war schon für sich genommen merkwürdig. Doch alle zusammen … ergaben meine Beklommenheit!
    Ich versuchte, den Türknauf zu drehen, wusste jedoch im Voraus, dass abgeschlossen sein würde. Diesen Film hatte ich auch schon mal gesehen. Aber kein Problem für die starke Vampirkönigin: Mit aller Kraft rammte ich meinen Absatz oberhalb des Schlosses ins Holz. Die alte Tür hatte gegen mich nicht die geringste Chance. Sie hatte keine Chance, denn wer macht sich schon Sorgen wegen abgeschlossener Schlafzimmertüren? Wir jedenfalls nicht! Wir machten uns nur Sorgen, wenn im Keller dreifache Riegel vor schweren Holztüren lagen und wenn hinter diesen Türen unser Marc mit der Marc-Kreatur sprach. Wenn das Marc-Wesen seinem menschlichen Vorgänger schreckliche Dinge über die Zukunft offenbarte.
    Und ich würde darauf wetten, dass der verfluchte Vampir genau das getan hatte.
    Mit einer Drehung der Hüfte stieß ich die Tür auf und stürzte in Marcs Zimmer. Das sehr klein war, wie ich bereits erwähnt habe. Und ich sah sofort, was er getan hatte.
    Ich sah, warum er sich in aller Heimlichkeit fortgeschlichen hatte. Er war sicher gewesen, dass keiner kommen würde, um nach ihm zu sehen. Dass keinem seine Abwesenheit auffallen würde, während eine gewisse B. T. in der Küche über ihre Großtaten schwadronierte. Keiner würde den Notruf wählen, keiner würde ihn von seiner Tat abhalten können, denn keinem würde es gelingen, die Stimme des Marc-Vampirs zum Verstummen zu bringen, jener Stimme, die ihn drängte,
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