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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an
Autoren: Damon Knight
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Grück sich um. „Was ist denn?“ fragte er.
    „Entschuldigen Sie, Herr Doktor“, meinte der Wärter und errötete, „aber Ihre Sekretärin bat mich, Ihnen dies heraufzubringen. Sie sagt, daß Sie es sicher schon erwarten.“
    Belustigt nahm Grück das Paket entgegen und sah sich um, als wolle er damit zum Ausdruck bringen, welch gehetztes Leben er doch im Grunde führe. Er besah das Paket von allen Seiten, dann fiel sein Blick auf den Absender. Sofort wuchs sein Interesse.
    „Ein Paket von Xi Bootes Alpha! Von Purser Bang! Entschuldigen Sie, meine Herrschaften, aber das kann von Wichtigkeit sein.“ Ungeduldig riß er die Verpackung auf. In dem Paket befanden sich Papierrollen; Grück prüfte das oberste Blatt sehr sorgfältig.
    „Tatsächlich! Es ist der Bericht des Forschungsteams auf Brechts Planet. Das kann eine Überraschung mit sich bringen.“ Er blätterte eine Seite um, dann eine zweite. „Sie haben drei Zweifüßler seziert“, murmelte er vor sich hin, „einen männlichen und zwei weibliche …“ Er verstummte und las weiter, etwas später klappte seine Kinnlade herunter. Die Anwesenden machten neugierige Gesichter.
    „… aber … hier steht … daß die männlichen Zweifüßler in Wirklichkeit weibliche und die weiblichen männliche sind“, erklärte er stirnrunzelnd. „Aber das ist doch unmöglich!“ stieß er hervor.
    „Was haben Sie da gesagt?“ fragte Neumann verdutzt. „Die männlichen Tiere sind in Wirklichkeit weiblich und umgekehrt? Das ergibt doch gar keinen Sinn. Sind sie etwa Zwitter?“
    „Warum sagt es der Bericht dann nicht klar und deutlich?“
    „Nein, nein“, sagte Grück abwesend und las weiter. „Mein Gott, wir haben alle einen schwerwiegenden Fehler gemacht! – Sehen Sie nur, was hier steht!“ Er hielt eines der Blätter hoch, deutete mit seinem zitternden, dicken Finger auf einen Absatz.
    Neumann nahm das Blatt an sich, hielt es in das Licht und begann langsam vorzulesen: „Die Leistendrüsen, von denen man bisher annahm, daß sie männliche Geschlechtsdrüsen seien, stehen in keiner Verbindung mit dem Fortpflanzungssystem. Ihre Funktion bleibt weiter unbekannt. Es wird angenommen, daß diese Körperteile lediglich der Zurschaustellung dienen, ähnlich dem Kamm eines irdischen Hahns. Außerdem hat sich herausgestellt, daß die Träger dieser Organe dem weiblichen Geschlecht angehören, nicht dem männlichen.
    Dieses Wesen ist es, das die Jungen in einem Gebärbeutel trägt und ihnen das Leben schenkt. Die Befruchtung wird durch eine äußerst ungewöhnliche Methode herbeigeführt, nämlich indem die männlichen Keimzellen, die in einem rötlichen, vorderen Organ untergebracht sind und die nur bei ausgewachsenen Tieren erscheinen … während der Brunst wird das weibliche Wesen. … lieber Gott! Grück, hören Sie sich das an …“
     
    Fritz und Emma saßen nebeneinander in dem inneren Raum. Emma wirkte gespannt und hatte die Hände ganz fest über ihren Knopf gelegt. Der männliche Zweifüßler schmiegte sich an sie, hatte einen Arm um sie gelegt und sagte: „Du weißt doch, Emma, daß ich dich nicht verletzen wollte, nicht wahr? Du glaubst mir doch?“
    „Das ist es nicht“, erwiderte sie mit belegter Stimme. „Es ist die Art, in der ich von allen hier behandelt werde – so, als wäre ich nur ein Tier. Sie sagen, daß ich nicht menschlich bin und halten es für gerechtfertigt, mich mein ganzes Leben lang in einem Käfig festzuhalten.“ Sie sah auf. „Wann ist man ein Mensch? Ich denke, ich habe Gefühle, ich kann sprechen, ich kann sogar Briefe schreiben. Aber das reicht immer noch nicht aus.“ Ihr schlanker Körper zitterte.
    „Es ist schlimm genug, wenn ich höre, daß sie über mich sprechen wie über irgendeine Kreatur, die weder sprechen noch lesen kann – aber wenn du …“
    „Emma, bitte …“ sagte der Zweifüßler, den plötzlich Reue und Zärtlichkeit überkam. „Natürlich hast du recht. In Wirklichkeit bist du ebenso menschlich wie jeder von denen da draußen. Was macht es schon aus, wenn du anders aussiehst. Nur das Innere, die Seele, ist es schließlich, die zählt, nicht wahr? Warum können sie das denn nicht einsehen?“
    Sie blickte ihn wieder an. „Glaubst du wirklich …“
    „Natürlich“, erwiderte der Zweifüßler und rückte noch etwas näher an sie heran. Völlig neue Gefühle ergriffen von ihm Besitz.
    „Eines Tages werden sie alle anfangen zu verstehen, Emma. Wir werden sie auf uns aufmerksam machen. Du wirst
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