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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an
Autoren: Damon Knight
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unsicher. „Du bist auf meiner Zimmerhälfte!“ piepste sie.
    „Hör’ auf! Das tut doch jetzt nichts zur Sache!“ Er machte einen Schritt auf sie zu, während seine Aufregung wuchs. „Sieh mal – gerade weil du dein ganzes Leben in einem Zoo verbracht hast, vermute ich, daß du denkst …“ Sie nahm irgend etwas und ging an ihm vorbei zu ihrem Schreibtisch. „Was war das?“ fragte der Zweifüßler überrascht. „Erzähl’ schon!“
    „Ich sagte, daß ich nicht mein ganzes Leben in einem Zoo verbracht habe.“ Sie setzte den Kopfhörer auf, legte ein Blatt Papier in die Maschine und begann zu schreiben.
    „Nun – vielleicht nicht in diesem Zoo. – Aber in einem Zoo bist du doch geboren, nicht wahr?“
    Emma sah auf. „Ich wurde auf Brechts Planet geboren. Sie kamen eines Tages und nahmen mich mit, als ich noch ein Baby war.“ Sie hörte auf zu arbeiten. Der Zweifüßler hatte den Eindruck, etwas falsch gemacht zu haben.
    „Das ist natürlich sehr schlimm für dich. Aber siehst du denn den Unterschied nicht?“ Er begann jetzt lauter zu sprechen, denn das Thema begann ihn zu interessieren. „Mein Gott, ich bin der Ansicht, daß der Unterschied offensichtlich genug ist. Hier bist du, ein Tier, das den größten Teil seines Lebens in dem einen oder anderen Zoo verbracht hat. Du bist an dieses Leben gewöhnt, du kannst dich damit abfinden. – Und hier bin ich, ein Mensch, der in den Körper eines Tieres eingeschlossen ist und Tag für Tag gezwungen wird, in diesem stinkenden Käfig zu leben.“
    Emma hatte, während er auf sie einsprach, mit der Arbeit völlig aufgehört. Sie saß da und blickte ruhig auf ihre dreifingrige Hand, die auf den Tasten ruhte. Als er geendet hatte, stand sie auf und ging mit geschlossenen Augen an ihm vorbei. Sie zitterte.
    „Emma“, sagte er, plötzlich gerührt, „Warte einen Augenblick!“ Sie ging weiter. Mit den Händen tastete sie sich an dem ihr im Wegstehenden Schreibtisch vorbei.
    „Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen, Emma“, entschuldigte sich der Zweifüßler. „Ich habe die Ner ven verloren. Ich habe es nicht so gemeint, als ich sagte, daß der Käfig stinkt. Das ist nur so eine Redensart.“
    Emma verschwand in ihrem Zimmer. Ergriffen folgte ihr der Zweifüßler bis zur Tür. „Komm wieder heraus, Emma“, bat er, „habe ich nicht gesagt, daß es mir leid tut?“ Aber Emma antwortete nicht und obwohl er stundenlang im Büro herumlief, ließ sie sich für den Rest des Tages nicht mehr blicken.
     
    „Sagen Sie mal, mein lieber Grück“, fragte Neumann am Nachmittag des gleichen Tages beim Mittagessen, „allen Ernstes: Was ist nun wirklich die Wahrheit? – Sie haben es so gut zu verschleiern vermocht, daß ich nicht mehr durchblicke. Ist der Zweifüßler nun der Zweifüßler oder Martin Naumchik?“
    Dr. Grück legte Messer und Gabel nieder. Seine Augen nahmen hinter der randlosen Brille einen ernüchterten Ausdruck an.
    „Was macht das schon, mein lieber Neumann“, erwiderte er langsam, „In jedem Fall ist das Endergebnis das gleiche. Wir besitzen – wie früher – zwei Zweifüßler. Einer ist männlich, der andere weiblich.“
    „Aber wenn nun der männliche wirklich früher einmal ein menschliches Wesen war?“
    „Dann ist er jetzt ein Zweifüßler.“ Grück stopfte einen Bissen Leberwurst in den Mund und begann energisch zu kauen. „Wenn die Angelegenheit reibungslos über die Bühne gegangen ist, meine Herren, dann kann ich nur sagen, daß ich das nur der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit meinen Kollegen verdanke.“
    „Sie sind zu bescheiden“, sagte Neumann. „Aber nicht doch!“ lachte Grück fröhlich, „Wenn unser Plan den gewünschten Erfolg zeigt, dann möchte ich natürlich darauf hinweisen, daß ich es war, der diesen Plan entwickelt hat. – Wer oder was unser Fritz vorher war, ist völlig unbedeutend. – Und wenn wir den Hindus Glauben schenken, ist es nicht unmöglich, daß unser lieber Wenzel in einem früheren Leben einmal ein Käfer war.“
    Grück machte eine Kunstpause, um den Anwesenden Gelegenheit zum Lachen zu geben. „Deswegen bedeutet es nichts. Ob Käfer oder nicht: momentan ist er Wenzel, davon bin ich überzeugt. Fritz weigert sich, dies zu begreifen. Wenn er es erst verstanden hat, werden Sie in ihm bald ein völlig verändertes und zufriedenes Tier sehen können – das können Sie mir glauben.“
    Ein schlacksiger Wärter erschien und brachte ein Paket. Ungehalten über die Störung drehte
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