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Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)

Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)

Titel: Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)
Autoren: Nancy Salchow
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antwortete Vanessa. »Wer regt sich denn sonst so gern über ihre Überkorrektheit auf?«
    »Ich weiß, aber letztendlich ist sie auch meine Freundin, genau wie du. Und ich kenne sie. Sie fühlt sich eben manchmal dazu berufen, ihre Erfahrung heraushängen zu lassen, eben weil sie die Älteste von uns ist. Das kann nerven, aber manchmal ist es auch hilfreich.«
    »Hilfreich?«
    »Ja. Aber sag ihr bloß nie, dass ich das gesagt habe.« Kim ließ sich in eine der Einbuchtungen fallen und streckte die nackten Füße von sich. Vanessa setzte sich neben sie, zog die Flipflops aus und schüttelte den Sand von den Sohlen.
    »Ich verstehe einfach nicht, warum sie mir mein Glück nicht gönnt«, sagte Vanessa.
    »Vielleicht, weil sie es nicht als Glück betrachtet hat.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja, die Frage ist doch die, ob es für dich selbst wirklich Glück war.«
    Vanessa schaute sie fragend an.
    »Versteh mich nicht falsch«, fuhr Kim fort. »Ich finde es prima, sich mit einem Prachtkerl wie Gregor abzulenken, nicht zuletzt deshalb habe ich dir auch zugeraten. Mittlerweile frage ich mich jedoch, vor allem jetzt, wo ich dich hier sehe wie ein Häufchen Elend, ob diese Taktik der unverbindlichen Leidenschaft wirklich zu dir passt.«
    »Darüber nachzudenken hat vermutlich eh keinen Sinn mehr.« Vanessa ließ sich rücklings in den Sand fallen und starrte wehmütig zum Himmel, der dabei war, sich in ein verschwommenes Farbenmeer aus leuchtendem Rot, schimmerndem Violett und abendlichem Kornblumenblau zu verwandeln.
    »Du weißt, dass ich kein Fan davon bin, allzu lang über etwas nachzudenken«, erwiderte Kim, die sich ebenfalls in den Sand legte und nach oben schaute, »aber solange du auf dein Herz hörst und dich selbst fragst, was du möchtest, besteht vielleicht noch Hoffnung.«
    »Vielleicht hat Carina recht. Vielleicht habe ich tatsächlich versucht, vor mir selbst davonzulaufen. Aus Angst vor der Vergangenheit. Aus Angst vor meinen Gefühlen. Aus Angst vor …«
    »Lenny«, setzte Kim ihren Satz fort.
    Vanessa schwieg.
    »Liebst du ihn noch?«, fragte Kim in gewohnter Direktheit.
    Vanessa dachte einen Moment lang nach. Nicht über Kims Frage, sondern vielmehr über die Antwort, die sie bis heute nicht in Worte gefasst hatte, nicht einmal in Gedanken.
    »Willst du nicht antworten oder kannst du nicht antworten?«, fragte Kim.
    »Ich glaube, dass ich nicht ihn liebe«, begann Vanessa endlich, »sondern die Vorstellung von ihm.« Sie atmete aus, den Blick noch immer zum Himmel gewandt. »Die Vorstellung von einer Zukunft, die ich nicht nur während unserer Beziehung in meinen Gedanken erschaffen hatte, sondern auch schon lange vor unserem Kennenlernen. Lenny trat zu einer Zeit in mein Leben, in der ich völlig ziellos und ohne jede Perspektive war. Nicht, was meinen Job betraf, sondern das Leben im Allgemeinen. Er war damals wie die Antwort auf eine Frage, die ich all die Jahre zuvor in mir getragen hatte. Er war die Liebe meines Lebens und die erste Liebe, die ich für stark genug hielt, um ein Leben lang zu halten.«
    »Du weißt, dass ich mit diesem Kitsch nicht so viel anfangen kann«, sagte Kim.
    »Ich versuche nur, dir deine Frage zu beantworten.«
    »Hältst du es wirklich für richtig, ihn nach allem, was war, noch immer auf ein Podest zu stellen?«
    »Ich stelle nicht ihn auf ein Podest, Kim, sondern das, wofür ich ihn all die Jahre gehalten habe. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt mein Typ war, ob wir zueinander passten. Er war der erste Mann, den ich nach dem Tod meines Vaters und der Rückkehr auf die Insel kennenlernte. Dadurch bekam er, vielleicht zu Unrecht, einen Stellenwert in meinem Leben, mit dem nichts und niemand mithalten konnte. Vermutlich nicht mal ich selbst.«
    Ein paar Meter entfernt lief ein Vater mit seinen beiden Söhnen barfuß durch den feuchten Sand. Dumpfes Gelächter, Unterhaltungsfetzen drangen zu ihnen, und doch kam kein Geräusch wirklich bei Vanessa an.
    »Aber was wirst du tun«, fragte Kim, »jetzt, wo dir all das endlich klar ist?«
    »Was ich tun werde?« Vanessa füllte ihre Hand mit Sand und ließ ihn langsam durch ihre Fingerspitzen zu Boden rieseln. »Ich hab nicht den blassesten Schimmer.«

    * * *

    Es war das Ereignis, das man ohne Übertreibung als den Höhepunkt des Jahres bezeichnen durfte: das alljährliche Wildrosenfest, das Einheimische wie Touristen gleichermaßen in Scharen auf die Festwiese vor der Kirche lockte. In einem riesigen Pavillon wurden
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