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Zwei Wochen danach (German Edition)

Zwei Wochen danach (German Edition)

Titel: Zwei Wochen danach (German Edition)
Autoren: Kathrin Schachtschabel
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Gurt engt mich ein. In meinen Händen halte ich den Brief von Joachim. Ich falte ihn auf und lese.
     
    ..., dass es auch der letzte Brief in meinem Leben sein wird, den ich schreibe. Dann bist du nachher nicht so geschockt, wenn du mich findest. Glaub mir, ich muss es tun.
     
    ... Versprechen gegeben. Ich habe es für unseren Sohn getan, den ich wie du über alles liebe.
     
    Ich müsste dir noch mehr erklären, aber die Zeit drängt. Unser Sohn muss endlich aufwachen. Vergib mir, Renate, dass ich dich allein ...
     
    Aus Angst, meine Tränen könnten die Tinte verwischen, stecke ich das Papier weg.
     
    ***

 
     
     
    Doch weh, die Flamme faßt das Kleid,
    Die Schürze brennt; es leuchtet weit.
    Es brennt die Hand, es brennt das Haar,
    Es brennt das ganze Kind sogar.
     
    ***

Vom Lesen ist mir schlecht geworden. Dauernd fragt der Fahrer nach mir und schaut verunsichert zu mir hinüber. Aber ich will nur meine Ruhe.
    Joachim ist schon auf dem Weg in die Klinik, wurde vorhin gesagt.
    Die gleiche Antwort bekam auch Renate, als sie sich nach ihrem Aufwachen bei dem Sanitäter erkundigt hat. „Ihr Mann ist schon in der Klinik.“ - Kein Wort zu viel.
    Wenn er wüsste, was wir hier durchmachen. Selbst ich möchte nicht, dass er jetzt stirbt.
    Ich möchte es nicht für Renate, nicht für Susanne und Raphael, nicht für Ralph, der etwas geahnt haben muss, und ich möchte es auch nicht für mich.
     
    ***  

 
     
     
    Und Minz und Maunz, die schreien
    Gar jämmerlich zu zweien:
    „Herbei! Herbei! Wer hilft geschwind?
    Im Feuer steht das ganze Kind!
    Miau! Mio! Miau! Mio!
    Zu Hilf'! Das Kind brennt lichterloh!“
     
    ***

Es ist gemein, sich so davonzustehlen und uns hier allein zu lassen!, denke ich.
    Dann bremst der Wagen heftig. Wir sind da. Erleichtert löse ich den Gurt, steige aus und warte, bis sie Renate nach draußen heben.
    Sie besteht darauf, selbst zu gehen.
    Der Sanitäter schickt den Fahrer nach einem Rollstuhl und bittet Renate, vernünftig zu sein.
    „Bringen Sie uns gleich zu Joachim Karstenberger!“, dränge ich, als der Fahrer zurückkommt. „Wir müssen wissen, wie es ihrem Mann geht!“
    Der Sanitäter nickt und setzt den Rollstuhl in Bewegung.
    Im Eingangsbereich der Notaufnahme stehe ich neben Renate. Der Sanitäter ist weggegangen, um eine Schwester zu holen.
    Die Zeit wird unendlich lang.
    Es ist niemand zu sehen, den wir fragen können. Meine Hände lege ich zitternd auf Renates Schulter.
    Sie ist bleich.
    Mir wird wieder schlecht. Diesmal von der Aufregung. Ich stelle mir vor, was sie uns gleich sagen werden.
     
    ***

 
     
     
    Verbrannt ist alles ganz und gar,
    Das arme Kind mit Haut und Haar;
    Ein Häuflein Asche blieb allein,
    Und beide Schuh, so hübsch und fein.
     
    ***

„Ich will endlich wissen, was mit meinem Mann los ist!“
    Renate beginnt zu schreien.
    „Beruhigen Sie sich!“, beschwichtigt der Arzt, der daraufhin gerufen wird. Er kniet sich an Renates Rollstuhl.
    „Wir versuchen unser Möglichstes. Ihr Mann hat Tabletten genommen.“
    Renate und ich blicken uns an. Sie wird ruhiger. Sie resigniert mit einem Mal. Ich weiß nicht, was ich denken soll.
    Dann steht der Arzt auf und blickt mich an, wohl froh, mit jemandem reden zu können, der die Beherrschung behalten hat.
    „Sie glauben, er schafft es“, sagt er fast unhörbar zu mir.
    Jetzt geht das alles wieder von vorne los, denke ich und beuge mich über Renate. „Er lebt! Hörst du? Er lebt!“
    Renate reagiert nicht. Sie ist in sich zusammengesackt und starrt vor sich hin. Ich rüttle an ihr und schreie ihr meine Verzweiflung über ihren Zustand ins Gesicht. „Renate! Joachim lebt!“
     
    ***

 
     
     
    Und Minz und Maunz, die kleinen,
    Die sitzen da und weinen:
    „Miau! Mio! Miau! Mio!
    Wo sind die armen Eltern? Wo?“
    Und ihre Tränen fließen
    Wie's Bächlein auf den Wiesen.
     
     
    Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug ist zu Ende. 
    Heike hat die letzte Strophe nur mühsam herausbekommen.
    Jetzt fragt sie sich, warum Marcus unbedingt diese Geschichte aussuchen musste.
    Warum nicht die vom Hans guck in die Luft oder vom fliegenden Robert?
    Oh, mein Gott! Wie kann ihr nur diese Geschichte einfallen? Nichts wäre schlimmer gewesen, als die Geschichte vom fliegenden Robert!
    Sie legt das Buch zur Seite und setzt Marcus vor sich auf ihren Schoß.
    Pit beobachtet sie und kommt zu ihnen hinüber zur Couch. Er legt sein rechtes Knie nach oben und stützt sich mit seinen kleinen Ärmchen hoch.
    Die
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