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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern
Autoren: Adalbert Stifter
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Geschichten, die oft sehr abentheuerlich und unglaublich waren, und zeigte, wie fast alle Südländer gewohnt sind, das lebhafteste Entzüken über sein schönes Land. Das erste Mal aßen wir zu Mittag auf unserem Schiffchen, das wir ruhig stehen ließen, und über dessen Borde wir ein Brett als Tisch legten, auf dem wir unsere Sachen ausbreiteten. Er that mir aus meiner Flasche Bescheid, und wurde noch gesprächiger und lustiger, als vorher. Da ich ihm den Zweck unserer Fahrt geoffenbart hatte, wurde er von dem Seltsamen des Dinges ergriffen, und so oft wir landeten, frug er in die Leute, die uns vorkamen, hinein, als müsse er ihnen den alten Mann um jeden Preis und mit Gewalt entreißen; und das Märchenhafte, daß ich nichts als den Namen Rikar wußte, ergözte ihn so, daß er nach jedem Punkte am Ufer spähte, und oft ausrief: »Dort liegt ein Haus, dort liegt eine Hütte, dort liegt ein Stein.«
    Die Nacht brachten wir in einer einzeln gelegenen Herberge zu, die mit ihren schimmernden Mauern, gleichsam wie eine weiße Tafel, an die Felsen geklebt schien, und von einem ganz verwikelten Geländer des grünsten Weinlaubes umgeben war. Am andern Tage fuhren wir sehr früh ab, und sahen Riva, von dem wir gestern ausgegangen waren, wie kleine Papierstreifchen auf dem Wasser schwimmen.
    Wir hatten alle unsere Vorbereitungen für den Gebrauch des Tages und für unser Mittagmahl wieder in das Schiffchen gethan, und fuhren das blaue schwellende Wasser dahin. An all den zahlreichen Stellen, an denen wir bisher gefragt hatten, hatten wir keine Antwort erhalten. Gespeist wurde wieder auf dem See.
    Am Nachmittage gelangten wir in eine ödere Gegend des Wassers. Das Land stieg sanfter aber auch unfruchtbarer gegen den Spiegel herab. Wo der See seichter gegen die Ufer auslief, lagen viele große Steine in der Gestalt von Knollen und Platten in ihm. Am Gestade stand ein graues Haus, und über ihm am Rande der Landschaft, waren, wie überall, die Felsen.
    Wir fragten in dem Hause, ohne eine Auskunft zu erhalten. Vielleicht, sagte man, wüßten die Fischer etwas, die weiter unten am Strande seien.
    Da wir ein Weilchen gefahren waren, kamen uns die besagten Fischer zu Gesichte. Mehrere Männer standen mit hochaufgeschürzten Beinkleidern in dem seichten Wasser, und wuschen Schmutz und schwarzes Gras aus den Netzen, die sie stükweise aus den Fahrzeugen wikelten. Wir lenkten den Schiffsschnabel gegen sie, und fragten um Franz Rikar. Aber sie sahen uns sprachlos an, als ob sie sich auf eine Antwort besännen. Als ich, wie gewöhnlich, eine kleine Beschreibung von dem Manne gab, rief seitwärts eine feine knabenhafte Stimme: »Da kann ich vielleicht eine Antwort ertheilen.«
    Wir sahen dahin, woher die Stimme gekommen war, und sahen einen Knaben auf einem der aus dem Wasser hervorragenden Steine stehen. Er gehörte nicht zu den Fischern, sondern hatte ihnen nur zugeschaut. Um das sehr schöne aber sehr braune Angesichtchen mit den großen italienischen Augen waren äußerst verwirrte und verwilderte Haare, der Hals und die Oberbrust waren nakt, dann hatte er ein rauhes Ziegenfell um die Schultern, zu einer Art Ueberkleid geheftet, aus dem die nakten Arme hervor ragten, deren einer einen oben gekrümmten unten mit der Spitze in das Wasser gestemmten Stab hielt. Die Beinkleider endeten mit zerrissenen Fetzen gleich unter dem Knie, von wo die nakten braunen Füsse bis zum grauen Steine nieder gingen. An einer Schnur hatte er eine runde hölzerne Flasche umhängen. Die Erscheinung war, wie ein kleiner Johannes in der Wüste.
    »Nun, wenn du Auskunft geben kannst, redete ich, so sprich.«
    Wir wendeten während dem unser Schiffchen etwas näher gegen ihn.
    »Sagt, ist der Mann, den ihr suchet, alt?« fragte er mit seiner feinen klaren Stimme.
    »So ziemlich alt,« antwortete ich.
    »Nein, er ist sehr alt, sagte er; - und hat er immer, wie ihr sprecht, ein blasses Angesicht und ein schwarzes Kleid?«
    »Ja,« erwiederte ich.
    »Dann ist er es schon, sagte der Knabe, der ist es, der so wunderbar geigt, und auf den Anhöhen wohnt.«
    »Er geigt?« fragte ich.
    »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie herzergreifend er geigt,« erwiederte der Knabe.
    »Das ist ja nicht möglich, sagte ich, hast du ihn geigen gesehen?«
    »Ich bin nicht bei ihm gestanden, da er geigte, antwortete der Knabe, aber ich habe ihn oft in der Ferne gehört. So geht er.«
    Bei diesen Worten beugte sich der Knabe mit dem Oberleibe vor, und fing an, auf seinem Steine hin
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