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Zwei Schritte hinter mir

Zwei Schritte hinter mir

Titel: Zwei Schritte hinter mir
Autoren: Norah McClintock
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ans Ende der Elgin Street, bog dann in die Elm Street ein und dann links in die Poplar Street. Dieser Straße folgte ich bis an ein offenes Feld. Es war groß, dunkel und von den Häusern aus nicht zu sehen, da es größtenteils verdeckt wurde durch eine Hecke und alte Bäume. Bevor wir in die Stadt gezogen waren, hatte das Feld zu einem Bauernhof gehört. Aber der Bauer hatte das Land an einen Bauunternehmer verkauft, der darauf das Wohngebiet errichtet hatte, in
dem wir jetzt wohnten, und danach noch ein weiteres. Nur dieses Feld war bislang nicht bebaut worden. Es hatte immer leer gestanden, bis auf ein paar große »Zu-Verkaufen«-Schilder. Um diese Jahreszeit wuchsen hauptsächlich Unkraut und hohes Gras darauf. Im Sommer ließ die Stadtverwaltung es mähen, damit es nicht ganz so schlimm aussah und man darauf Softball oder Fußball spielen konnte. An einer Seite standen ein paar Bäume und hier und da wuchsen Büsche, die im Frühling blühten. Ein paar Trampelpfade führten durch das Unkraut, weil so viele Leute die Abkürzung über das Feld nahmen.
    Zum allerersten Mal dachte ich daran, den längeren Weg zu nehmen. Aber unser Haus stand genau auf der anderen Seite. Wenn ich direkt hinüber ging, wie ich es immer tat – wie es alle Kinder aus meiner Straße taten, wenn sie in die Schule oder in die Stadt gingen – dann würde ich nur halb so lange brauchen, als wenn ich den Umweg nahm. Außerdem war ich müde und hungrig und meine Mutter hatte gesagt, sie würde mir etwas zu Essen machen. Warum sollte ich den Umweg gehen?
    Dennoch blieb ich einen Augenblick am Rand des Feldes stehen und sah mich um – nur um sicherzugehen. Ich konnte niemanden sehen. Doch ein Teil von mir sagte Vielleicht versteckt sich jemand hinter einem Baum oder einem Verkaufsschild , während ein anderer
Teil sagte, Krieg dich wieder ein Steph, und mach, dass du nach Hause kommst .
    Ich dachte an das erste Mädchen, das entführt worden war und die man bisher als einzige gefunden hatte. Ich fragte mich, was ihr genau passiert war. Hatte ein Auto neben ihr angehalten und der Fahrer sie vielleicht nach dem Weg gefragt und als sie nah genug gekommen war, hatte er sie gepackt und zu sich hineingezerrt? War sie dumm genug gewesen, um per Anhalter zu fahren oder in ein Auto einzusteigen, in dem einfach ein Kerl saß oder vielleicht auch mehrere? Oder war sie überfallen worden? War sie nach Hause gelaufen, so wie ich, hatte an ihre Schulfreunde gedacht und daran, was sie wohl am Wochenende machen würde, als sie plötzlich jemand angegriffen und bewusstlos geschlagen hatte …?
    Ich sagte mir, dass ich mich lächerlich machte. Nur weil meine Mutter meinte, irgendein böser Mann triebe sich hier herum, musste das noch lange nicht stimmen. Mal im Ernst, wie wahrscheinlich war denn das?
    Ich ging über das Feld. Zugegeben, ich lief ein wenig schneller als sonst. Ich gebe auch zu, dass ich mich unwillkürlich umsah, was ich normalerweise nicht tat. Als ich ging, spürte ich ein Kribbeln im Nacken, als ob mich jemand anstarrte, doch als ich mich umsah, war niemand da. Mom übertreibt wirklich, dachte ich. Schlimmer noch, ihre Übertreibung ist ansteckend.

    Ich war halbwegs über das Feld, als mich jemand von hinten packte.
    Mein erster Instinkt war, mich umzudrehen und zu sehen, wer das war, doch ein eiserner Arm presste sich auf meinen Hals und eine Hand legte sich wie eine Stahlklammer über meinen Mund und meine Nase. Mir wurde eiskalt, als ob die Temperatur um mich her plötzlich ins Bodenlose gefallen wäre. Das kann doch nicht mir passieren, dachte ich. Ich wehrte mich. Ich trat um mich.
    Ich konnte nicht atmen. Die Hand auf meinem Gesicht drückte mir die Luft ab. Mir wurde schwindelig. Ich musste mich befreien, bevor ich ohnmächtig wurde.
    Plötzlich ließ die Hand mich los. Ich öffnete den Mund, um zu schreien, doch der Arm um meinen Hals drückte nur noch fester zu. Ich griff hinter mich, um meinen Angreifer zu kratzen und seinen Arm loszuwerden, ich versuchte, ihn ins Gesicht oder am Hals und wo ich nur konnte zu kratzen. Dann spürte ich einen scharfen Stich im Arm. Es war ein kurzer, heftiger Schmerz wie von einem Bienenstich. Mein ganzer Körper wurde taub.

2
    Meine Mutter sagt immer, dass manche Leute schnell aufwachen und manche langsam. Sie hat gesagt, mein Vater hätte morgens beim ersten Ton des Weckers die Augen aufgeschlagen, sei aus dem Bett gesprungen und hätte den Tag in Angriff genommen. Bei mir ist das anders. Ich
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