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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See
Autoren: Jorge Amado
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Bericht von der Ankunft des Kommandanten am Kai von Bahia, wo ihn eine Musikkapelle erwartete, außerdem ein Vertreter des Gouverneurs, der Hafenkapitän und Américo Antunes, taumelnd vor Freude? Soll ich von seinen in der Presse erschienenen zahlreichen Lichtbildern erzählen, von der Rede, die er, noch an Bord, für den Rundfunk halten musste? Von seiner triumphalen Ankunft in Periperi mit dem Zwei-Uhr-Zug, unter sprühenden Raketen und Hochrufen, und wie er von den Freunden auf den Schultern in sein Haus mit den aufs Meer gehenden grünen Fensterläden getragen wurde? Nun waren die Gegner von gestern seine begeistertsten Bewunderer, mit Ausnahme von Chico Pacheco, der es vorgezogen hatte, umzuziehen. Denn Periperi hatte nicht Platz für beide – für ihn mit seinem Regierungsprozess und für den Kommandanten mit seinem Ruhm. Soll ich von Zequinha Curvelos Ergriffenheit sprechen, als er den Aschenbecher mit dem aufgedruckten Bild des ITA empfing? Von den Fragen, mit denen alle auf Vasco einstürmten? Wie sie verlangten, er müsse alles erzählen, eine Einzelheit nach der anderen, ohne auch nur ein Komma auszulassen? Von der Unterhaltung abends, in dem großen Wohnzimmer mit dem Teleskop, als die Rede auf Clotilde kam? Das war ein Augenblick lyrischen Überschwangs:
    »Und so hübsch … Dabei waren viele junge Leute an Bord. Sie blickte mich an, und die Leidenschaft packte sie … Sie war kaum zwanzig Jahre alt, im Mondschein, auf dem Sportdeck nannte ich sie Clô, sie hatte offenes langes Haar, kupferbraune Haut, sie war eine Mestizin vom Amazonas … Kam auf mich zu und forderte mich zum Tanzen auf, stellt euch vor! Erschien bei der Abfahrt am Kai, um mir adieu zu sagen!«
    Wie man sieht, wird es schon wieder schwierig, die Wahrheit vom Irrtum zu unterscheiden und sie von den Schleiern der Phantasie zu befreien. Schließlich und endlich: Wen hat der Kommandant nun geliebt, wem hat er sich in der Vollmondnacht auf Deck erklärt? Clotilde, der
Großen Baqueana,
überreif und mit Ticks behaftet, oder der ländlich schamlosen Moema, deren Hand ihn in schwerer Stunde stützte, der Mestizin, die es eilig hatte, an ihr dramatisch ersehntes Ziel zu gelangen? Was mich betrifft, so weiß ich es nicht und verzichte darauf, es genau wissen zu wollen.
    Eines indes scheint mir sicher und der Erwähnung würdig: Wenn das Schicksal auf Seiten des Kommandanten blieb und ihn begünstigte, dürfen bei dieser Hilfe nicht Clotildens Bruch mit Vasco und die Auflösung ihrer Verlobung vergessen werden. Habt ihr euch schon die
Große Baqueana
in Periperi vorgestellt, wie sie das Leben des Strandortes zur Hölle gemacht, auf dem Klavier endlose Opernarien und Sonaten heruntergehämmert, das ruhmreiche Alter des Kapitäns auf großer Fahrt in eine nicht abreißende Kette täglicher kleiner Kräche, in Zwang, Ticks und Gereiztheiten verwandelt hätte? Geehrt und glücklich wie er nun war, hätte er nicht das Alter von zweiundachtzig Jahren erreicht, wenn seine heillose Idee, sie mit nach Periperi zu schleppen – wenn Verlobung und Heirat Wirklichkeit geworden wären.
    So habe ich denn nichts mehr zu erzählen, meine Aufgabe ist erfüllt. Nun will ich diese Arbeit – die mir viel Mühe und Kummer bereitet hat – an die vom Direktor des Staatsarchivs ernannte Jury schicken. Wenn ich den Preis bekomme, werde ich ein Kleid für Dondoca kaufen; dazu eine Blumenvase, denn so etwas fehlt noch im hellen Wohnzimmerchen des Häuschens im Beco das Três Borboletas.
    Der Leser entsetze sich nicht und erlaube mir, ihm die letzten Ereignisse von der Front meines Lebenskampfes mitzuteilen. Der Hochverdiente hat eingelenkt. Nun leben wir drei in vollem Einverständnis und Frieden. Dona Ernestina, die würdige beleibte Gattin der illustren Leuchte der Jurisprudenz, hat nämlich – sicherlich durch einen anonymen Brief – Dr. Siqueiras nächtlichen Besuch in Dondocas Haus entdeckt. So haben ihm seine dunkle Brille und sein Schlapphut nichts genützt. Der »Zeppelin« wurde blitzwütend, er schien es dem Gewitter von Belém gleichtun zu wollen. Damit blieb dem Richter im Ruhestand nur die Notlüge. Zwar war er in jenes anrüchige Haus fragwürdiger Moral gegangen, hatte es jedoch nur aus Pflichtgefühl einem Freunde gegenüber getan. Und zwar aus der Pflicht, einen Skandal in Periperi zu vermeiden: Der hilfsbedürftige Freund war der bescheidene Provinzhistoriker und Verfasser dieses Bändchens. Wusste sie, Ernestina, denn nicht, dass der
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