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Zwei Esel Auf Sardinien

Titel: Zwei Esel Auf Sardinien
Autoren: authors_sort
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Schäfer streiken und haben den Flughafen lahmgelegt«, sagt plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich drehe mich um und blicke in die Augen eines jungen Mädchens mit Rastazöpfchen.
    »Ach, wirklich? Woher wissen Sie das?«, antworte ich ihr dankbar.
    »Die sind stinksauer, weil die Preise für ihre Ziegenmilch so in den Keller gegangen sind, alles wegen der Scheißmafia, die wollen das Monopol.«
    Ich bedanke mich für diese Auskunft. Was gehen mich deren Milchpreise an? Erneut angle ich mein Handy aus der Tasche und wähle Brunos Nummer. Es läutet und läutet, aber er geht nicht ran. Wenigstens scheint er gelandet zu sein. Na, dann wird er ja gleich sehen, was hier für ein Chaos herrscht! Inzwischen skandieren die aufgebrachten Bauern unter dem Geläut ihrer Ziegenglocken derart laut, dass einem die Ohren weh tun. Sie rammen ihre Stecken in den Boden und schreien ihre Parolen heraus. Mir reicht’s! Ich halte mir die Ohren zu und versuche, mich durch die Menschenmenge zu drängeln, links hinten in der Halle habe ich eine Bar gesehen. Der Weg zur Bar gestaltet sich äußerst schwierig. Kinder sitzen auf Rucksäcken, völlig genervte Mütter versuchen, weinende Babys zu beruhigen. Alle schreien durcheinander. Immer noch kein Bruno in Sicht. Überhaupt entdecke ich nur verzweifelte und wütende Gesichter. Nur wenige überlassen sich ihrem Schicksal und versuchen zu scherzen. Ich kann nur durch ihre Mimik verstehen, was sie bewegt, aber ich spüre eine unglaubliche Energie in diesem Raum. Wie so oft in Italien beherrscht die Emotion die Lage. Die Menschen denken nicht groß nach, sondern genießen das casino , wie sie so schön zu einem Durcheinander sagen. Endlich kann man mal so richtig in die Vollen gehen, ohne Rücksicht auf Verluste. Entweder sich ergeben oder ordentlich zuschlagen, lautet die Devise.
    Ich quetsche mich weiter in Richtung Bar. Wenn ich auf den Tresen klettere, kann ich besser nach Bruno Ausschau halten. Leider ist hier gerade niemand, der freundlich fragt, ob man vielleicht einen Cappuccino möchte, oder, der Situation angemessener: einen Whisky. Das Personal hat sich offenbar rechtzeitig in Sicherheit gebracht, wohl ahnend, welche Meute sich hier versammeln würde. Vielleicht frage ich einen Bauern nach einem Glas Ziegenmilch, ich würde in diesem Moment alles für etwas Trinkbares geben. Beherzt schwinge ich meinen Popo auf den Tresen. Dabei rempele ich einen Mann an, und meine Tasche fällt mit lautem Getöse auf den Boden. Der Akku meines Handys fällt auch heraus, jetzt kann mich Bruno nicht mehr erreichen. Verzweifelt suche ich den Boden nach meinen Habseligkeiten ab. Mein Rock ist verschmiert, und einen Moment lang habe ich das Bedürfnis, ein paar Tränen zu verdrücken, so sehr bedauere ich mich.

Aufstand der Hirten
    Bruno
    An den Gepäckbändern tummeln sich Schafe, manche versuchen, sie zu erklimmen, manche blöken verängstigt. Unser Gepäckband kreist weiterhin leer vor sich hin. Nicht mal ansatzweise ein Koffer von gut hundert Passagieren, die um halb zwölf mit dem Air-One-Flug aus Rom gelandet sind. Deshalb beschließen wir um 12 Uhr 35 einmütig, zum Blitzangriff überzugehen. Der Erste, der aufbegehrt, ist ganz dem Beispiel eines verängstigten Schäfchens folgend auf das Gepäckband gesprungen, hat sich in die Ausgabeöffnung gestürzt und ist mit einer Plastiktüte auf dem Kopf wieder hervorgekommen. Ein Angestellter an der Gepäckausgabe wurde sogar von einem wütenden weiblichen Fluggast gebissen, als er sie darauf hinwies, dass er nicht für die Funktionstüchtigkeit des Bandes zuständig ist.
    Ich muss an Jutta denken und hoffe, dass wenigstens sie ihr Gepäck bekommen hat. Ihr Flugzeug aus München sollte schon vor über einer Stunde landen, vielleicht hat man da noch pünktlich ausgegeben. Ich habe schon versucht, sie auf dem Handy zu erreichen, aber natürlich herrscht auch auf der anderen Seite der Glasscheibe ein solches Durcheinander, dass sie mich nicht hören kann. Ihr Telefon hat mehrmals geklingelt, aber sie geht nicht ran. Die verängstigten Schafe blöken und schließen sich mir an, in der Hoffnung, dass ich sie zu ihren Besitzern bringe. Nachdem ich endlich den Zoll passiert habe, stelle ich fest, dass es hier auch nicht besser aussieht. Trotz der Carabinieri und Polizisten in Schutzanzügen ist es einem Demonstrationszug von Hunderten Milchbauern gelungen, die gesamte Halle zu besetzen. Schafe grasen an den Ausgängen, wo es zu den Taxis und Bussen geht,
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