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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein
Autoren: Anna Gavalda
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Bitte.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    22
     
     
     
    »Bist du gekommen, um mit deinem Taschentuch zu wedeln?«
    »Ja.«
    »Das ist nett.«
    »Wie viele sind wir denn?«
    »Wer?«
    »Frauen, die mit ihren Taschentüchern winken und dich mit Lippenstift beschmieren?«
    »Tja, sieh dich um.«
    »Nur ich?!«
    »Na ja«, er verzog das Gesicht, »harte Zeiten. Zum Glück sind die Engländerinnen heiß. Das hat man mir jedenfalls erzählt!«
    »Bringst du ihnen den French Kiss bei?«
    »Unter anderem. Kommst du noch mit auf den Bahnsteig?«
    »Ja.«
     
    Er sah auf die Bahnhofsuhr:
    »Gut. Dir bleiben nur noch fünf Minuten, um einen Satz mit sechs Wörtern auszusprechen, das dürfte doch machbar sein, oder? Komm schon«, gab er sich entrüstet, »wenn es zu viele sind, mir reichen zwei. Aber die richtigen, hem? Scheiße! Ich hab meine Fahrkarte noch nicht abgestempelt. Und?«
    Stille.
    »Dann eben nicht. Bleib ich halt ein Frosch.«
     
    Er schulterte seine große Tasche und wandte ihr den Rücken zu.
    Er rannte, um einen Schaffner zu erwischen.
    Sie sah, wie er seine Fahrkarte wieder an sich nahm und ihr mit der Hand ein Zeichen machte.
     
    Und der Eurostar entglitt ihren Fingern.
    Und sie fing an zu weinen, die dumme Gans.
    Und sie sah nur noch einen kleinen grauen Punkt in der Ferne.
     
    Ihr Handy klingelte.
    »Ich bin’s.«
    »Ich weiß, das wird angezeigt.«
    »Bestimmt erlebst du gerade eine hyperromantische Szene. Bestimmt stehst du allein auf dem Bahnsteig, wie in einem Film, und heulst deiner Liebe nach, die sich in einer weißen Rauchwolke verliert.«
    Sie lächelte unter Tränen.
    »Ü… Überhaupt nicht«, brachte sie heraus, »ich … ich wollte gerade den Bahnhof verlassen.«
     
    »Du Lügnerin«, sagte eine Stimme hinter ihr.
     
    Sie fiel ihm in die Arme und drückte ihn fest fest fest fest.
    Bis die Naht platzte.
     
    Sie weinte.
     
    Öffnete die Schleusentore, schneuzte sich in sein Hemd, heulte noch mehr, entließ siebenundzwanzig Jahre Einsamkeit, Kummer, gemeine Schläge auf den Kopf, beweinte die Liebkosungen, die sie nie bekommen hatte, den Wahnsinn ihrer Mutter, die auf dem Teppich knienden Feuerwehrleute, die Zerstreutheit ihres Papas, die Schinderei, die Jahre ohne auch nur die geringste Atempause, die Kälte, die Freude am Hunger, die Entgleisungen, den Verrat an sich selbst und den ewigen Schwindel, den Schwindel am Rande des Abgrunds und den Flaschenhals. Und die Zweifel und ihren Körper, der immer ausscherte, und den Geschmack von Äther und die Angst, nicht mithalten zu können. Und auch Paulette. Paulettes Sanftmut, pulverisiert in fünfeinhalb Sekunden.
     
    Er hatte ihr seine Jacke umgehängt und sein Kinn auf ihren Kopf gelegt.
    »Komm schon«, flüsterte er ganz sanft, ohne zu wissen, ob es heißen sollte, komm schon, wein dich aus, oder, komm schon, nicht weinen.
     
    Ganz wie sie wollte.
     
    Ihre Haare kitzelten ihn, er war voller Rotz und sehr glücklich.
    Sehr glücklich.
    Er lächelte. Zum ersten Mal im Leben war er zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
     
    Er rieb sein Kinn auf ihrem Kopf.
     
    »Komm schon, mein Schatz. Mach dir keine Sorgen, wir schaffen das. Wir werden es nicht besser machen als die anderen, aber auch nicht schlechter. Wir schaffen das, glaub mir. Wir schaffen das. Wir haben nichts zu verlieren, weil wir nichts haben. Komm.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Epilog
     
     
     
    »Scheiße, ich glaub’s nicht. Ich glaub’s nicht«, moserte er, um sein Glück nicht hinauszuschreien, »der spricht nur von Philou, dieser Idiot! Und der Service hier und der Service da. Na klar! Ihm fällt das nicht schwer. Er hat die guten Manieren schon im Blut eintätowiert! Und der Empfang und das Dekor und die Bilder der Fauque und bla bla bla … Und meine Küche? Kein Schwein interessiert sich für meine Küche?«
    Suzy nahm ihm die Zeitung aus der Hand.
    » Liebe auf den ersten Blick für dieses Bistro blablabla, dessen junger Chef Franck Lestafier unsere Geschmacksnerven zum Staunen bringt und uns an seinen Wohltaten teilhaben läßt, indem er eine Küche lebendiger, leichter, fröhlicher Hausmannskost erfindet blablabla … In einem Wort: Hier erfährt man täglich das Glück eines Sonntagsessens ohne alte Tanten und ohne Montag … Na? Worum geht’s da? Die Börsenkurse oder ein Brathähnchen?«
     
    »Nein, wir haben geschlossen!« rief er den Leuten zu, die den Vorhang
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