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Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Titel: Zusammen ist man weniger allein
Autoren: Anna Gavalda
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von Villandry hatten sie ihm ehrfürchtig gelauscht.
    Sie hatte sie im Rückspiegel lächeln sehen.
     
    Wenn dieser große junge Mann sang, war sie wieder zwanzig.
    1952 hatte sie ihn gesehen, als es neben den Kinos noch eine Music-Hall gab.
    »Ach, war er schön«, seufzte sie, »so schön.«
     
    Also übertrugen sie Seiner Exzellenz Yves Montand die Aufgabe, die Grabrede zu halten.
     
    Und das Requiem …
     
    Quand on partait de bon matin, quand on partait sur les chemins, A bicy-clèèè-teu,
    Nous étions quelques bons copains,
    Y avait Fernand, y avait Firmin, y avait Francis et Sébastien,
    Et puis Pau-lèèè-teu …
     
    On était tous amoureux d’elle, on se sentait pousser des ailes,
    A bicy-clèèè-teu …
     
    Ja, in Paullette waren alle verliebt gewesen.
     
    Und Philou, der nicht einmal da war.
    Der in seine Luftschlösser nach Spanien gefahren war.
    Franck hielt sich sehr gerade, die Hände auf dem Rücken.
    Camille weinte.
     
    La, la, la … Mine de rien,
    La voilà qui revient,
    La chanso-nnet-teu …
    Elle avait disparu,
    Le pavé de ma rue,
    Était tout bê-teu …
     
    Les titis, les marquis
    C’est parti mon kiki …
     
    Sie lächelte, die Straßenjungen, die Marquis … Das sind doch wir.
     
    La, la, la, haut les cœurs
    Avec moi tous en chœur …
    La chanso-nnet-teu …
     
    Madame Carminot spielte schniefend mit ihrem Rosenkranz.
     
    Wie viele waren sie in dieser falschen Kapelle aus falschem Marmor?
    Zehn vielleicht?
    Außer den Engländern nur Alte.
    Vor allem alte Frauen.
    Vor allem alte Frauen, die traurig den Kopf schüttelten.
    Camille legte ihren Kopf auf Francks Schulter, der weiterhin seine Finger knetete.
     
    Trois petites notes de musique,
    Ont plié boutique,
    Au creux du souvenir …
    C’en est fini d’leur tapage,
    Elles tournent la page,
    Et vont s’endormir …
     
    Der Herr mit dem Schnurrbart machte Franck ein Zeichen.
    Er nickte.
     
    Die Ofentür öffnete sich, der Sarg wurde hineingerollt, die Tür schloß sich wieder und … Puffffff …
    Paulette verzehrte sich ein letztes Mal zu den Klängen ihres geliebten Herzensbrechers.
     
     … Und zog davon … geschwind … in die Sonne … in den Wind.
     
    Alle umarmten sich. Die Alten versicherten Franck noch einmal, wie sehr sie seine Großmutter gemocht hätten. Und er lächelte. Und preßte die Backenzähne aufeinander, um nicht loszuheulen.
     
    Man ging auseinander. Ein Herr ließ ihn noch Papiere unterschreiben, ein anderer hielt ihm eine schwarze Schachtel hin.
    Sehr hübsch. Sehr chic.
    Die im Schein der künstlichen Kronleuchter mit verstellbarer Leuchtkraft glänzte.
    Zum Kotzen.
     
    Yvonne lud sie zu einem kleinen Stärkungstrunk ein.
    »Nein, danke.«
    »Sicher?«
    »Sicher«, antwortete Franck und hakte sie unter.
     
    Und schon waren sie auf der Straße.
    Ganz allein.
    Zu zweit.
     
    Eine Frau von etwa fünfzig Jahren sprach sie an.
    Und lud sie zu sich ein.
    Sie folgten ihr zum Auto.
    Sie wären jedem gefolgt.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    17
     
     
     
    Sie kochte ihnen einen Tee und holte einen Sandkuchen aus dem Ofen.
    Sie stellte sich vor. Sie war die Tochter von Jeanne Louvel.
    Damit konnte er nichts anfangen.
    »Das ist klar. Als ich in das Haus meiner Mutter zog, waren Sie schon lange weg.«
     
    Sie ließ sie in Ruhe essen und trinken.
    Camille ging in den Garten, um eine zu rauchen. Ihre Hände zitterten.
    Als sie sich wieder zu den anderen setzte, holte ihre Gastgeberin eine große Schachtel.
    »Warten Sie. Ich suche sie Ihnen heraus. Ah! Da ist sie. Hier.«
     
    Es war ein winziges Foto, beige mit gezacktem Rand und einer förmlichen Unterschrift unten rechts.
     
    Zwei junge Frauen. Die rechte lachte und blickte in den Apparat, die linke schlug unter einem schwarzen Hut die Augen nieder.
    Beide waren kahlköpfig.
    »Erkennen Sie sie?«
    »Pardon?«
    »Das hier ist Ihre Großmutter.«
    »Das hier?«
    »Ja. Das daneben ist meine Tante Lucienne. Die älteste Schwester meiner Mutter.«
    Franck hielt Camille das Foto hin.
    »Meine Tante war Grundschullehrerin. Es heißt, sie sei das schönste Mädchen der ganzen Gegend gewesen. Es hieß auch, daß sie ziemlich arrogant war, die Gute. Sie war sehr gebildet und hat seine Hand mehrmals ausgeschlagen, tja, ein arrogantes Mädchen eben. Am 3. Juli 1945 erklärte Rolande F. ihres Zeichens Schneiderin – meine Mutter kannte die Niederschrift auswendig … Ich habe gesehen, wie sie sich amüsiert hat, sie
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