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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn
Autoren: Robert Asprin
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mal, in deinem andern Ohr ist noch ein Goldstück für Mignureal. Ihr kriegt das Gold, weil ich es gefunden habe, nicht weil ihr mir geholfen habt. Und heute wird jemand dir ein Schriftstück für mich bringen.«
    Mondblume ließ beide Münzen unter ihrem Schultertuch verschwinden, was sie ihre Schatztruhe nannte. »Du brauchst gar nicht so schauen, Mignue wird ihre schon bekommen. Wirst du mir einen Gefallen tun, Hanse, den ich jeder Münze vorziehe?«
    Ernst und sich ausnahmsweise entspannend, nickte er. »Selbstverständlich.«
    »Meine Tochter ist noch sehr jung, aber sie schwärmt für dich. Würdest du so lieb sein und tun, als wäre sie deine Schwester?«
    »Oh, das würdest du nicht wollen, Mondblume«, entgegnete er mit einer der seltenen Anspielungen auf die Art von Kindheit, die er gehabt hatte. »Sie ist die Tochter meiner Freundin, und ich werde sie als Base betrachten. Außerdem sah sie mich - so. Ich werde ihr vermutlich nie wieder in die Augen sehen können.«
    Sie nahm die schmalen, ruhelosen Finger des Diebes, der stolz darauf war, daß er nie jemandem weh getan hatte, den er ausraubte. »Du wirst ihr in die Augen sehen können, Hanse. Ganz sicher. Es war ein Gottzauber. Du brauchst dich also nicht zu schämen. Versprichst du mir, vorsichtig zu sein?«
    »Ja.«
    Sie blickte ihm in die Augen. »Aber du hast vor, ihn zu suchen.«
    »Ja.«
    Die Anhänger der Göttin Theba - der ältesten Gottheit überhaupt - gingen vermummt in ihren kleinen Tempel. Das war bei ihnen so üblich. Das machte es der Regierung auch leichter, sie zu überwachen, und erleichterte es Hanse, sich unter sie zu mischen. Eine Schulter ein wenig geneigt, ein Bein unter der stumpfbraunen Kutte etwas mehr beansprucht, und schon war er nicht mehr der geschmeidige Nachtschatten.
    Der Gottesdienst war langweilig, und Weihrauch hatte er nie gemocht - er reizte ihn gleichzeitig zum Niesen und zum Schlafen. Wenn er sich überhaupt mit Religion befaßte, dann galt seine Vorliebe eher dem Halbgott Rander Rehabilitatus als sonst irgendeiner Gottheit. Aber er hielt durch und paßte auf. An diesem Gottesdienst nahmen zwei blinde Gläubige teil, beide mit Stöcken. Nur einer war weiß, aber er wurde nicht von einem Linkshänder gehalten.
    Den Gesuchten zu finden, war wirklich ganz leicht. Als er seinen Partner verließ, hatte der mordende Dieb geflucht: »Dann hol dich Theba!« Und Mondblume hatte diese Göttin gesehen oder zumindest ihr Bild, wie es von Ikonen und Amuletten her bekannt war. Sie hatte knapp vierzig Anhänger in Freistatt und nur diesen einen (Teilzeit-)Tempel. Dann hatte der Dieb den Schreckensstock mit der Rechten abgewehrt und seinem Opfer den Dolch mit der Linken unter das Herz gestoßen, und ebenfalls mit der Linken hatte er dann den Stock gegen Hanse gestupst.
    Dann folgte die Zeremonie der Verbindung im Namen der Göttin. Hanse paßte auf, was die anderen taten. Sie gingen, sich untereinandermischend herum und sagten nette dumme Worte von Liebe und Frieden zueinander. Ein übliches, bedeutungsloses Ritual. »Frieden« war ein Wort, das Leben und seine Bedürfnisse waren eine völlig andere Sache. Hanse mischte sich unter die Menge.
    »Liebe und Frieden, Bruder«, wünschte eine Frau aus ihrer dunklen Kapuze. Ihre Hand glitt unter Hanses Kutte, und er umklammerte ihr Gelenk.
    »Frieden und geschicktere Finger, Schwester«, antwortete er ruhig und ging um sie herum auf sein Ziel zu. Um jedoch ganz sicherzugehen, näherte er sich Kapuze an Kapuze dem Mann mit dem weißen Stock und machte verlegen eine obszöne Geste. Kapuze und Stock bewegten sich nicht, nur eine Hand streckte sich tastend nach Hanse aus.
    »Ihr Frieden bleibe Euch immer erhalten, mein Bruder«, wünschte der Blinde mit hoher Stimme. Hanse murmelte ein paar Worte und drehte sich um.
    »Du schmutziger Hundesohn!« zischte eine Stimme unter einer grünrot gestreiften Kapuze. »Der arme blinde Sorad ist seit Jahren unter uns, und nie hat jemand ihn mit einer so gemeinen Geste bedacht. Nur gut, daß er sie nicht sehen konnte. Wer bist du überhaupt?«
    »Jemand, der glaubt, daß der andere Blinde nicht blind und auch keiner von uns ist, und nur eine Probe machte - Bruder. Habt Ihr ihn schon einmal gesehen?«
    Der andere, der sich über ihn aufgeregt hatte - ein korpulenter Mann in gestreiftem Myrsevadanumhang -, schaute sich um. »Hmm - nein. Der mit den Handschuhen?«
    »Ja. Ich glaube, er trägt sie, weil sein Stock - ja, auch Euch Frieden, Schwester - frisch
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