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Zum Morden verflucht

Zum Morden verflucht

Titel: Zum Morden verflucht
Autoren: Andrew Hathaway
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Büro erlosch das Licht.
    »Mrs. Caldwell ist an ihrem Herzinfarkt gestorben, wie der Doktor es vorausgesagt hat.«
    Jane Haskill schnappte diesen Satz im Vorbeigehen auf. Die Nachbarin lehnte an dem Zaun, der ihren Garten von dem einer dicklichen, älteren Frau trennte, und die beiden waren so in ihr Gespräch vertieft, daß sie Jane erst im letzten Augenblick sahen. Zwei scharfe Augenpaare richteten sich auf die Neue in der Straße, zwei Münder verzogen sich mißbilligend.
    »Die junge Dame ist sich wohl zu fein, um uns zu grüßen«, bemerkte Mrs. Saldower spitz. »Ihre Schwester Gwendolin ist da viel freundlicher.«
    »Die Jugend von heute«, schloß die zweite Frau die Unterhaltung mit dem oft zitierten Satz.
    Jane hörte das alles, aber es kümmerte sie nicht. Sie freute sich nur darüber, daß diese Mrs. Caldwell, Annabels Mutter, endlich an ihrem Herzinfarkt gestorben war. Sie kannte Annabel nur flüchtig aus der Vorlesung von Dr. Emerson, aber sie gönnte dem Mädchen diese Genugtuung.
    Jane steuerte auf die Bushaltestelle zu, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß sie nicht mehr beobachtet wurde. Sie wollte keine Zeugen haben, die später vielleicht ihrer Schwester einen Tip geben konnten, wohin sie gegangen war. Jane Haskill ahnte nicht, was mit ihr los war. Sie hatte keine Ahnung, wie sehr sie sich verwandelt hatte. Sie fühlte sich nur frei und ungebunden, und sie genoß dieses Gefühl in vollen Zügen. Abgeworfen hatte sie alle Hemmungen, aber auch alle moralischen und menschlichen Maßstäbe, die für sie noch vor ganz kurzer Zeit oberstes Gebot gewesen waren.
    Der Bus kam. Jane setzte sich vorn in die Nähe des Fahrers und blickte unbeteiligt aus dem Fenster auf die abendlichen Straßen, auf denen nicht viele Menschen unterwegs waren. Die alten Ruinen – niemand hatte ihr gesagt, daß sie dorthin fahren sollte, aber sie wußte es. Eine innere Stimme rief sie an einen Ort, den sie noch nie in ihrem Leben betreten hatte.
    Während der Fahrt wurde Jane immer mehr von einer seltsamen Verzückung ergriffen, von einer Begeisterung, die sie nicht mehr losließ. Etwas Großes stand ihr bevor, etwas Herrliches, das ihrem Leben eine Wende geben würde. Wäre sie bei klarem Verstand gewesen, hätte sie den Wahnsinn in ihrem Verhalten erkannt, aber ihr freier Wille und ihre Kritikfähigkeit waren ausgeschaltet, ausgelöscht, ausradiert, als hätten sie nie existiert.
    Der Bus hielt an der Endstation. Mit mechanischen Bewegungen stieg Jane Haskill aus und tauchte in die Dunkelheit des Wäldchens am Rande der kleinen Universitätsstadt. Jeder andere wäre nach den ersten Schritten bereits über eine Wurzel oder ein anderes Hindernis gestolpert, weil es hier keine Straßenbeleuchtung mehr gab, aber Jane schritt mit der Sicherheit einer Schlafwandlerin zwischen den Baumstämmen dahin. Kopfschüttelnd blickten ihr der Busfahrer und der Schaffner nach.
    »Und dann wundert man sich, wenn die jungen Mädchen vergewaltigt oder ermordet werden«, sagte der Fahrer, schaute auf die Uhr und nickte dem Schaffner zu. »Rückfahrt und Feierabend für heute.«
    Rotglühend verschwanden die Rücklichter des Busses. Das Brummen des Motors vertönte in der Ferne.
    »Es tut mir wirklich leid, daß ich das sagen muß, Miß Haskill.« Mrs. Saldower, die Nachbarin, zitterte vor Erregung. »Aber Ihre Schwester scheint nicht die Absicht zu haben, sich in die Gemeinschaft dieser Straße einzufügen. «
    Gwendolin hörte sich, innerlich vor Ungeduld bebend, die Strafpredigt über das schlechte Benehmen Janes an. »Sie ist von der Umstellung verwirrt, sonst nichts«, versuchte sie es zum Schluß mit einer lahmen Ausrede, als Mrs. Saldower die Luft endlich ausging. »Wo ist Jane eigentlich? Es ist schon spät.«
    »Ich weiß.« Mrs. Saldower sagte es, als klagte sie jemanden des Mordes an. »Sie hat, glaube ich, den Bus genommen. «
    »Den Bus?« Gwendolin warf einen besorgten Blick auf ihre Armbanduhr. »Aber der letzte ist doch schon gefahren. Wieso ist Jane noch nicht zu Hause?«
    Mrs. Saldower schürzte die Lippen, als wollte sie damit ihre ganze Verachtung für die Unmoral der heutigen Zeit andeuten, aber sie sprach es nicht aus. Statt dessen sagte sie: »Mrs. Caldwell ist tot.«
    »Mein Gott!« stieß Gwendolin hervor. »Und wie trägt Annabel diesen Schlag?«
    Mrs. Saldowers Stimme grollte. »Sie hat gelacht, als man es ihr schonend beibrachte. «
    »Gelacht?«
    »Genau, sie hat gelacht. Und hinterher ist sie tanzen gegangen.
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