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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Miller schwor, das käme ihm nicht in den Sinn, aber bei diesen aufreizenden Ausländerinnen weiß man ja nie. Immerhin, das Letzte, was er von mir gesehen hat, warein Lächeln übers ganze Gesicht. Ich kann euch sagen, den Rest des Tages hatte ich das Gefühl, als wäre das Grinsen festgefroren.«
    Trotz Marys guter Ratschläge schaffte Anne es nicht ganz, für Walter ein Lächeln aufzusetzen, auch wenn es ihr bei Jem noch gelungen war. Aber es weinte niemand. Monday kam aus seinem Schiffsschuppen heraus, setzte sich dicht neben Walter hin und pochte jedes Mal heftig mit dem Schwanz auf den Bahnsteig, sobald Walter ihn ansprach. Dabei schaute er ihn treuherzig an, als ob er sagen wollte: Ich weiß, du wirst Jem finden und ihn zu mir zurückbringen.
    »Mach’s gut, mein Alter«, sagte Carl Meredith, als es darum ging, Abschied zu nehmen. »Sag denen da drüben, sie sollen die Ohren steif halten, ich komme auch bald nach.«
    »Ich auch«, sagte Shirley kurz und bündig und hielt Walter seine braun gebrannte kleine Hand hin. Als Susan das hörte, bekam sie plötzlich ein ganz graues Gesicht.
    Lina schüttelte Walter schweigend die Hand und sah ihn aus sehnsüchtigen, traurigen, dunkelblauen Augen an. Aber eigentlich sahen Unas Augen immer sehnsüchtig aus. Walter beugte sich mit seinem schönen schwarzen Haar und seiner Uniformkappe zu ihr hinab und gab ihr einen warmen, kameradschaftlichen Kuss wie ein Bruder. Er hatte sie noch nie zuvor geküsst, und für einen flüchtigen Augenblick verriet sie sich mit ihrem Blick, falls jemand genau hingesehen hätte. Aber es sah niemand genau hin. Der Zugführer rief: »Alles einsteigen!« Alle versuchten ein fröhliches Gesicht zu machen. Walter wandte sich Rilla zu. Sie hielt seine Hände und sah zu ihm auf. Sie würde ihn nicht mehr sehen, bevor der Tag anbrach und die Schatten verschwanden. Und sie wusste nicht, ob dieser Tag auf der einen Seite des Grabes oder auf der anderen anbrechen würde.
    »Lebe wohl«, sagte sie.
    Auf ihren Lippen verlor dieses Wort die Bitterkeit der Trennung, mit der es seit jeher verbunden ist, und trug dafür die zärtliche Liebe aller Frauen, die je geliebt und um ihren Geliebten gebetet haben.
    »Schreib mir oft, und kümmere dich gewissenhaft um Jims, so wie Morgans Evangelium es verkündet«, sagte Walter lächelnd. All die ernsthaften Dinge hatte er schließlich schon am Abend zuvor im Regenbogental gesagt. Doch bevor er endgültig ging, nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und schaute tief in ihre tapferen Augen. »Gott segne dich, Rilla-meine-Rilla«, sagte er leise und zärtlich. Wenn ein Land solche Töchter hervorbrachte, dann war es nicht schwer, für dieses Land zu kämpfen.
    Er stand auf der hinteren Plattform und winkte ihnen nach, während der Zug abfuhr. Una kam auf Rilla zu, die allein dagestanden hatte. So standen sie beisammen, die beiden Mädchen, die ihn am meisten liebten, und hielten sich bei der Hand, während der Zug die Biegung am Waldrand hinter sich ließ.
    Rilla verbrachte an diesem Morgen eine Stunde im Regenbogental. Sie sagte niemandem etwas davon und schrieb es noch nicht einmal in ihr Tagebuch. Zu Hause strickte sie dann den ganzen Tag für Jims. Und am Abend ging sie zu einer Rotkreuz-Versammlung und widmete sich voll und ganz ihrer Arbeit. »Man sieht ihr kein bisschen an, dass Walter erst heute früh an die Front gefahren ist«, sagte Irene Howard zu Olive Kirk. »Aber manche Leute haben einfach kein Gefühl. Ich wäre froh, wenn ich die Dinge genauso leicht nehmen könnte wie Rilla Blythe.«

Ein Traum wird wahr
    »Warschau ist gefallen«, sagte Gilbert resigniert, als er an einem warmen Augusttag die Post hereinbrachte.
    Gertrude und Anne schauten sich entmutigt an. Rilla, die gerade dabei war, Jims mit einem sorgfältig sterilisierten Löffel eine Diät nach Morgans Rezept zu verabreichen, legte - Keime hin oder her - besagten Löffel aufs Tablett und sagte: »Ach, du lieber Himmel!«, als ob die Neuigkeit sie getroffen hätte wie ein Donnerschlag. Dabei war das die unvermeidliche Folge dessen, was die Nachrichten in der vorangegangenen Woche gemeldet hatten. Alle hatten geglaubt sich mit dem Fall Warschaus längst abgefunden zu haben, aber jetzt wussten sie, dass sie sich - wie immer - doch noch an einen letzten Hoffnungsschimmer geklammert hatten.
    »Wir müssen uns zusammenreißen«, sagte Susan. »So schlimm, wie wir gedacht haben, ist es nicht. Gestern habe ich einen drei Spalten langen Bericht im
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