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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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mich ein paar Jungen zum Tanzen auffordern! Diese Demütigung würde ich nicht überleben, wenn mich keiner auffordern würde und ich den ganzen Abend als Mauerblümchen herumsitzen müsste. Wie dumm, dass Carl und Jerry nicht mittanzen können, weil sie Pfarrerssöhne sind, sonst könnte ich mich wenigstens auf die verlassen und müsste mich nicht so sehr blamieren.«
    »Du wirst eine Menge Tanzpartner haben. Alle Jungen aus Overharbour kommen herüber. Es werden sehr viel mehr Jungen sein als Mädchen.«
    »Bin ich froh, dass ich keine Pfarrerstochter bin«, lachte Rilla. »Die arme Faith ist so wütend. Sie wird es wohl kaum wagen, heute Abend zu tanzen. Una ist es egal. Die macht sich nichts aus Tanzen. Irgendjemand hat zu Faith gesagt, wer nicht mittanzen darf, der darf sich dafür in der Küche Toffees machen, da hätten Sie mal ihr Gesicht sehen sollen! Wahrscheinlich wird sie mit Jem den ganzen Abend draußen auf den Felsen hocken. Übrigens, wissen Sie, dass wir uns alle an dem kleinen Bach unterhalb von unserem Traumhaus treffen und dann zum Leuchtturm hinübersegeln? Ist das nicht absolut himmlisch?«
    »Als ich fünfzehn war, habe ich auch so geschwärmt wie du«, sagte Miss Oliver mürrisch. »Für euch junge Leute wird die Party bestimmt ganz lustig. Aber ich werde mich dort langweilen. Keiner von den Jungen wird sich die Mühe machen und mit so einer alten Jungfer wie mir tanzen. Jem und Walter werden mich vielleicht einmal auffbrdern, aber nur aus Mitleid. Und zum Reden werde ich auch niemanden haben. Also kannst du wohl kaum von mir erwarten, dass ich deine rührende Begeisterung teile.«
    »Aber als Sie das erste Mal auf eine Party gingen, hat Ihnen das keinen Spaß gemacht, Miss Oliver?«
    »Nein. Es war schrecklich. Ich war so schäbig angezogen und so hausbacken, dass niemand mich zum Tanzen aufgefordert hat, bis auf einen Jungen, der noch schäbiger aussah als ich. Er war so unbeholfen, dass ich ihn hasste, aber selbst der hat mich kein zweites Mal aufgefordert. Ich habe keine richtige Jugend gehabt, Rilla. Das ist schlimm. Deswegen wünsche ich dir eine wunderbare, glückliche Jugend. Und ich hoffe, dass du später mit Freuden an deine erste Party zurückdenkst.«
    »Heute Nacht habe ich geträumt, ich wäre auf der Tanzparty gewesen und hätte mittendrin plötzlich gemerkt, dass ich meinen Schlafanzug und meine Hausschuhe anhabe«, seufzte Rilla. »Da bin ich vor Schreck aufgewacht.«
    »Apropos Traum. Ich habe einen komischen Traum gehabt«, sagte Miss Oliver nachdenklich. »Es war einer dieser sehr lebhaften Träume, die ich manchmal habe. Nicht so ein Wirrwarr wie die üblichen Träume, die man so hat, sondern klar und deutlich wie die Wirklichkeit.«
    »Was haben Sie denn geträumt?«
    »Ich stand hier auf der Verandatreppe und ließ meinen Blick über die Felder von Gien schweifen. Plötzlich sah ich weit draußen eine breite, silbrig glitzernde Welle, die sich langsam über die Felder ergoss. Das Wasser kam näher und näher. Es waren lauter kleine weiße Wellen, wie sie manchmal an den Strand gespült werden. Ganz Gien wurde nach und nach verschluckt. Ich dachte noch: Die Wellen werden doch wohl nicht bis Ingleside herankommen? Aber sie kamen immer näher, ganz schnell. Bevor ich aufstehen konnte, hatten sie schon meine Füße erreicht. Und alles war weg, nur noch ein aufgewühltes Meer war dort, wo vorher Gien gewesen war. Ich versuchte zurückzuweichen. Dabei sah ich, dass der Saum meines Kleides blutgetränkt war. Und da wachte ich endlich auf- und zitterte. Der Traum gefällt mir nicht. Er hat irgendeine schlimme Bedeutung. Solche lebhaften Träume sind bei mir bisher immer >wahr< geworden.«
    »Na, hoffentlich bedeutet er nicht, dass sich heute Abend ein Sturm zusammenbraut und die Party ins Wasser fällt«, murmelte Rilla besorgt.
    »Du unverbesserlicher Kindskopf!«, sagte Miss Oliver trocken. »Nein, Rilla-meine-Rilla, mit so etwas Schlimmem brauchst du wohl nicht zu rechnen.«
    Seit einigen Tagen herrschte auf Ingleside eine unausgesprochene Spannung. Nur Rilla bemerkte vor lauter Aufregung nichts davon. Gilbert machte ein ernstes Gesicht und sprach wenig, wenn er die Zeitung las.Jem und Walter waren höchst interessiert an den Neuigkeiten, die darin standen. An diesem Abend kam Jem aufgeregt zu Walter gelaufen.
    »Hast du gehört, Deutschland hat Frankreich den Krieg erklärt! Das bedeutet, dass England wahrscheinlich beteiligt sein wird. Und wenn dem so ist, na, dann kommt
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