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Titel: Zugriff
Autoren: E Pallay
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weg von Kufstein und den österreichischen Kollegen, ohne dass irgendjemand, auch das MEK nicht, es bemerkt hätte.
    Bei diesem Katz-und-Maus-Spiel befanden wir uns ständig im Hintertreffen, weil wir seinen Vorsprung nie aufholen konnten. Inzwischen hatte er getankt, ohne zu bezahlen, und fuhr weiter, runter von der Autobahn. Weg war er, erneut wie vom Erdboden verschwunden. Jetzt konnten wir nur darauf hoffen, dass er zurückkehrte, um seinen Fresskorb abzuholen. Zwei meiner Teams würden das Areal im Auge behalten. Als Tankwarte, Kioskverkäufer oder als Reisende herumlaufen und auf den Geiselnehmer warten.
    Unsere Rechnung schien aufzugehen, denn schon meldete das MEK , dass sich der A4 wieder auf der Autobahn in Richtung München kurz vorm Irschenberg befinde. Offensichtlich war er auf der Landstraße ein Stück zurückgefahren, um dann erneut die Raststätte anzusteuern. Würde es jetzt vielleicht gelingen, seine Flucht zu beenden und die Geisel zu befreien? Ohne Blutvergießen?
    Sobald ich den Rastplatz erreichte, beobachtete ich aus sicherer Distanz das Geschehen und informierte über Standleitung den Einsatzleiter, der mir viel Glück wünschte. Schon meldete das MEK den Fluchtwagen. Doch er fuhr nicht auf den Parkplatz, sondern bremste kurz dahinter auf dem Seitenstreifen der Autobahnzufahrt und setzte zurück. Die Beifahrertür öffnete sich einen Spalt, Uwe B. packte den Korb, der Audi beschleunigte wieder und verschwand im Schneetreiben. Mist, dachte ich, so war das also, wenn Polizisten zu Tätern wurden.
    Was jetzt? Immerhin hatten sich MEK - und SEK -Kräfte in sicherem Abstand an die Fersen des Flüchtenden gehängt und würden ihn hoffentlich nicht ein weiteres Mal verlieren. Blieb nur die Frage, wo sich eine Gelegenheit für einen Zugriff bot. Ein Stau war als optimale Voraussetzung angedacht, der allerdings zu dieser frühen Stunde provoziert oder simuliert werden musste. Eine Baustelle in Richtung München schien ideal für dieses Vorhaben: Verkehrspolizisten standen bereits an der Engstelle und forderten durch Handzeichen zur Reduzierung der Geschwindigkeit auf. Leider durchschaute der Gangsterpolizist die Finte und zwang den Kollegen am Straßenrand mit der Waffe, ihn weiterfahren zu lassen. Außerdem nahm er die Falle zum Anlass, bei der nächsten Ausfahrt erneut die Richtung zu ändern. Wir wieder hinterher und jetzt entkam er uns nicht mehr. Wir verfolgten ihn auch, als er Richtung Kufstein abbog und die Grenze passierte. Trotz genereller Geschwindigkeitsbegrenzung im Nachbarland ging es teilweise mit 200 Sachen über die Autobahn. Weniger routinierte Fahrer hätten das nicht gepackt.
    Plötzlich hielt das Fluchtfahrzeug auf der Standspur an. Uwe B. ahnte wohl, dass er verfolgt wurde, und wollte uns auflaufen lassen. Den ersten Wagen blieb tatsächlich keine andere Wahl, als unauffällig an ihm vorbeizufahren, aber mein Fahrer durchschaute das Manöver und bremste rechtzeitig ab, um in gebührendem Abstand auf dem Standstreifen stehen zu bleiben. In diesem Moment kam zu allem Überfluss eine Streife der Österreicher heran, stoppte rund 200 Meter hinter dem Audi. Hoffentlich stiegen die nicht arglos aus, dachte ich. Zum Glück taten sie es nicht, sondern fuhren weiter. Später erfuhren wir, dass im Nachbarland alle Einheiten auf den Straßen vor dem Geiselnehmer gewarnt worden waren.
    Auch Uwe B. setzte seine Fahrt fort, die immer mehr zum Horrortrip geriet, vor allem für die Geisel. Wie der junge Mann das alles aushielt, war einfach bewundernswert. Wieder einmal konnte sich der Fluchtwagen für kurze Zeit von seinen Verfolgern absetzen, bis wir ihn gegen sieben an der Grenze erneut aufspürten. Diesmal war er in Richtung Inntaldreieck unterwegs. Ich hörte die Gespräche zwischen Uwe B. und der Polizistin mit. Einfühlsam und sehr geschickt bemühte sich die junge Frau, den Geiselnehmer zur Aufgabe zu überreden. Der Mann forderte jetzt mit Nachdruck ein Handy, das exakt an der gleichen Stelle beim Rastplatz Irschenberg deponiert werden sollte wie zuvor der Korb mit den Lebensmitteln. Wir konnten später nur hilflos zuschauen, wie er sich das in eine Plastiktüte gepackte Mobiltelefon schnappte. Um einen Zugriff nur halbwegs vorzubereiten, fehlte die Zeit.
    Der Verrückte schien Gefallen an diesem Spiel zu finden, denn nun ging es zum wiederholten Mal in Richtung Österreich. » Hört das eigentlich nie auf«, sagte ich zu Willi, der nicht weniger genervt als ich hinter dem Steuer saß.
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