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Titel: Zugriff
Autoren: E Pallay
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tödlichen Folgen.
    Eine Beziehungsgeschichte unter Teenies, die zu einer Kurzschlussreaktion führte, habe ich in einem meiner letzten Jahre beim SEK erlebt. Und als Vater lässt einen so etwas nicht unberührt. Es ging um Ronny und Claudia, eine letztlich einseitige Liebe, bei der einer durchdrehte. Obwohl die Sache glimpflich ausging, bewies sie uns, wie schwierig es ist, einen jugendlichen Amokläufer zur Vernunft zu bringen. Ihn davon abzuhalten, dass er Leben zerstört. Seines und das anderer. Schauplatz des Dramas war eine Schule in einer oberbayerischen Kleinstadt.
    An diesem Tag trug ich auf der Dienststelle die Verantwortung, denn mein Chef machte gerade Urlaubsvertretung für den Leiter der Polizeidirektion Spezialeinheiten Südbayern. Es war recht ruhig. Eine Gruppe befand sich auf der Bundeswehrschießanlage Unterhaching, eine andere übte das Anhalten von Täterfahrzeugen in Oberschleißheim, zwei weitere frischten irgendwo ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse auf. Ich selbst saß in meinem Büro und bereitete einige Beurteilungen vor, beantwortete belanglose Fragen aus dem Polizeipräsidium und anderes mehr. Zwischenzeitlich läutete immer wieder das Telefon. Auch meine Frau meldete sich kurz und fragte nach dem Essenswunsch am Abend. Sie kochte gerne, und noch lieber aß und esse ich. Ihr Anruf erinnerte mich an den Feierabend. Ich schaute auf meine Uhr: halb drei. Langsam kamen die Leute von den Übungsplätzen zurück. Heute würde ich bestimmt pünktlich zu Hause sein.
    Kaum hatte ich das gedacht, war es auch schon vorbei mit einem gemütlichen Abend im Kreis der Familie. Erneut schrillte das Telefon, und der Sachbearbeiter im Lagezentrum des bayerischen Innenministeriums teilte schnaufend eine Geiselnahme mit. » Täter ist bewaffnet und bedroht mehrere Schüler und Lehrer. Nehmen Sie sofort Verbindung mit dem örtlichen Polizeiführer auf und verlegen Sie Ihre Kräfte zum Tatort!«
    Die Maschinerie lief an: die Mannschaft über Hauslautsprecher alarmieren, schnell umziehen, Ausrüstung packen und ab in die Tiefgarage. Ich fuhr mit zwei Mitarbeitern in meinem Dienstwagen, einem schwarzen Mercedes 320 E, schon einmal voraus. Mit schnellen Autos war unsere Einheit gut bestückt – und mit entsprechenden Fahrern auch. Diese Profis schafften es, mit halsbrecherischem Tempo durch den dicksten Verkehr zu manövrieren und trotzdem ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Friedrich war so einer. Kein Wunder, denn er und seine Kollegen wurden sogar auf dem Nürburgring geschult. Plötzlich stieg er voll auf die Bremsen: Ein unaufmerksamer Opel-Corsa-Fahrer hatte den Weg trotz Blaulicht und Martinshorn nicht frei gemacht. Das erlebten wir oft , doch z um Glück passierte nie etwas. Zumindest mir nicht.
    Endlich war die Autobahneinfahrt erreicht, und mit Höchstgeschwindigkeit brausten wir Richtung Süden. Inzwischen bestand über Autotelefon Kontakt zur zuständigen Einsatzzentrale. Es hieß, der Polizeiführer befinde sich ebenfalls noch auf dem Weg zum Tatort. Über einen Sonderkanal gab ich sämtliche Informationen an die Einsatzkräfte weiter, die etwa zehn Minuten hinter uns waren. Wir hingegen mussten bereits wieder von der Autobahn runter und würden nach ein paar Kilometern Landstraße den kleinen Ort im Voralpenland erreichen.
    Der Chef der örtlichen Polizeiinspektion meldete sich sichtlich aufgeregt über Funk und gab uns eine Wegbeschreibung zur Schule. Ich konnte seine Nervosität verstehen. Was wir mit schöner Regelmäßigkeit erlebten, kam in ländlichen Gebieten so gut wie nie vor. Welcher » Landgendarm« wurde wohl je mit einer Geiselnahme konfrontiert? Trotzdem gewöhnten auch wir uns nie daran. Wer das glaubt, irrt gewaltig. Jeder Fall lag anders und stellte damit eine neue Herausforderung dar.
    Sogleich nach der Ankunft an der Schule, ein Streifenwagen war uns entgegengeschickt worden, erfuhren wir, was Sache war. Gegen 14.30 Uhr betrat ein junger Mann das Gebäude und ging gezielt in einen Klassenraum, wo Nachmittagsunterricht stattfand. Er zog eine Waffe, richtete sie auf die Anwesenden und zwang eine der Schülerinnen, ihn nach draußen zu begleiten. Seine ehemalige Freundin, die er zurückhaben wollte.
    Natürlich wehrte sich das Mädchen, doch als sein Exfreund mit einem Blutbad drohte, folgte es ihm widerstandslos den Gang hinunter. Eine Lehrerin, die aus dem Unterrichtsraum spähte, sah noch, wie sich der jugendliche Geiselnehmer am Automaten eine Tasse Kaffee holte und Tabletten
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