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Titel: Zugriff
Autoren: E Pallay
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Kunden und verschwand mit beiden wieder im Keller. Dort musste Tobias K. der neuen Geisel ebenfalls mit Klebebändern die Hände fesseln. Ihn selbst schleppte der maskierte Räuber erneut mit in den Schalterraum, wo er die Tür verschloss und die Herausgabe der Tresorschlüssel forderte.
    Inzwischen gelang es den beiden Personen im Keller, sich von den Klebebändern zu befreien und durch das Kellerfenster zu flüchten. Später sagten sie aus, sie hätten in Todesangst übermenschliche Kräfte entwickelt – allerdings waren die Fesseln von Tobias K. absichtsvoll sehr locker angelegt worden. Sie stoppten einen zufällig vorbeifahrenden Streifenwagen und schlugen Alarm. Endlich, nach fast einer Stunde. Zum gleichen Zeitpunkt zwang der Täter die letzte Geisel, in seinem Namen bei der Polizei anzurufen. Er verlange Lösegeld, ließ er ausrichten. Oder die Herausgabe des Tresorinhalts.
    So weit die Situation. Das zweigeschossige Gebäude war schnell umstellt. Sträucher an der Rückseite boten guten Sichtschutz, und wir konnten uns problemlos und ungesehen anschleichen. Wie immer wollten wir es nicht darauf ankommen lassen, dass der Täter Männer mit Waffen und in Kampfausrüstung zu Gesicht bekam. Dieser Anblick könnte eine Überreaktion provozieren, die womöglich jeden Verhandlungsspielraum von vornherein ausschloss. Das durften und wollten wir nicht riskieren. Noch hofften wir auf eine friedliche Lösung.
    Trotzdem, auch das ist Standard, musste sich ein Notzugriffstrupp bereithalten, falls von einer Minute zur anderen die Situation ein sofortiges Eingreifen erforderte. Jeweils vier Männer stellten sich schwer bewaffnet und mit gepanzerter Schutzweste beim Haupteingang der Bank und seitlich der Tiefgaragenzufahrt auf. Nah genug, um schnell zugreifen zu können, und weit genug entfernt, um nicht gesehen zu werden. Eine heikle Balance und immer wieder ein gewagtes Spiel, weshalb die Anspannung selbst bei diesen coolen und ausgefuchsten Profis enorm hoch war. Fast konnte man meinen, die Luft um sie herum würde knistern wie kurz vor der Entladung eines Blitzes bei schwerem Gewitter. Und der konnte, im übertragenen Sinne, jederzeit einschlagen.
    Die Einrichtung einer internen Befehlsstelle hingegen war reine Routine. In diesem Fall ließen wir uns in einer gegenüberliegenden Gaststätte nieder. Hier liefen sämtliche Informationen über den Einsatz zusammen, und von hier aus ergingen Weisungen per Funk nach draußen. Inzwischen arbeiteten wir auch mit Videoaufnahmen, die über Monitor verfolgt werden konnten. Ein großer Fortschritt, denn sowohl unser Kommandoführer als auch der Gesamteinsatzleiter konnten jetzt am Bildschirm mit eigenen Augen das Geschehen überwachen.
    Die Verhandlungsgruppe war ebenfalls schnell vor Ort und sorgte dafür, dass der Kontakt zum Täter nicht abbrach. Allerdings kam er nie selbst ans Telefon, sondern schickte Tobias K. vor. Der 22-Jährige, der erst kürzlich der Ramersdorfer Filiale zugeteilt worden war, schlug sich tapfer und verlor nicht die Nerven. Die sollte er noch brauchen, denn die Verhandlungen zogen sich zäh über Stunden hin. Dann endlich lagen konkrete Forderungen auf dem Tisch: eine halbe Million, zusätzlich der Tresorschlüssel und ein Fluchtfahrzeug mit Automatikgetriebe. Um seine Entschlossenheit zu dokumentieren, drohte er mit Sprengstoff, der sich angeblich in einem Aluminiumkoffer befand.
    Bluffte er oder nicht? Wir wussten es nicht und mussten deshalb von der ungünstigsten Annahme ausgehen. Das ist oberstes Gebot, wenn es um Geiseln geht. Da darf nichts leichtfertig riskiert werden. Dazu gehörte allerdings ebenfalls, dass wir uns auf eine gewaltsame Befreiung der Geisel vorbereiteten. Rund um das Gebäude gingen in Fenstern, Dachluken und auf Balkonen Präzisionsschützen in Stellung. Andere lagen einfach hinter einem Gebüsch versteckt. Vierzehn Männer in sieben Positionen, 20 bis 100 Meter vom Zielobjekt entfernt. Ein optimaler Platz war die halbe Miete, denn Präzisionsschützen brauchten eine gute Sicht, ohne selbst gesehen zu werden.
    Hier waren die Bedingungen ausgezeichnet. Ich inspizierte ein letztes Mal die Stellungen, in denen es sich jeweils zwei Schützen im wahrsten Sinne des Wortes » bequem« machten. Kein Scherz: Da sie permanent durch ihr Zielfernrohr das Geschehen beobachten mussten, war das äußerst wichtig. Oft lagen sie nämlich stundenlang da, ohne sich rühren zu dürfen. Ich war zufrieden. Die Stellungen konnten nicht besser
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